Sehr geehrter Herr Everding, die EU erließ bezüglich Naturschutz Rahmenrichtlinien (z.B. Waldstrategie). Halten Sie diese für wirksam? Wenn ja, wie würden Sie das nachweisen? Verbesserungsbedarf?
Sehr geehrte Frau G.,
vielen Dank für Ihre Frage. Pauschal ist es schwierig, die gesamten Rahmenrichtlinien der EU für wirksam oder unwirksam zu erachten. Meine grundsätzliche Ausrichtung, wie Naturschutz umgesetzt werden sollte, spiegelt sich in unserem Europawahlprogramm wider. Dieses finden Sie unter: https://www.tierschutzpartei.de/wp-content/uploads/2024/03/Grundsatzprogramm-2024.pdf -> Dort finden Sie ab Seite 59 wichtige Grundsätze zum Schutz der Natur.
Da Sie eine spezielle Richtlinie aus der EU-Kommission entnommen haben, möchte ich für Sie näher auf die „neue Waldstrategie 2030“ eingehen. Ich finde es richtig und wichtig, dass unsere Wälder geschützt und ausgeweitet werden sollen, sowie die Biodiversität in Wäldern vorrangig behandelt wird. Ich unterstütze außerdem die Aussage, dass mit dem „Schutz des Waldökosystems das Risiko für Zoonosen“ verringert werden kann.
Ziel ist es, bis 2030 die Treibhausgasemissionen mindestens um 55 % zu senken. Ich unterstütze dieses Ziel selbstverständlich, auch wenn ich grundsätzlich die Einstellung vertrete, dass mehr ginge. Allerdings liegt das Augenmerk gerade in der ersten Hälfte der Strategie in der Wirtschaftlichkeit der Bewaldung. Die Wirtschaft ist ein zentraler Teil in Europa, sollte aber in einer Naturschutzstrategie eher eine untergeordnete statt übergeordnete Rolle spielen. Schauen wir realistisch auf die Menschen, die die Strategie zum Großteil umsetzen müssen, so denken die meisten wirtschaftlich und leider nicht nachhaltig. Somit kann ich auch den Hintergrund der Wirtschaftlichkeit im Fokus der Strategie durchaus nachvollziehen.
Der Punkt 2.2. „Gewährleistung der nachhaltigen Nutzung von holzbasierten Ressourcen für Bioenergie“ spricht gegen meine Überzeugungen zu erneuerbaren Energien. Erneuerbare Energien sollten nicht durch Holzbiomasse gewonnen werden. Ich stehe hinter dem Grundsatz meiner Partei: „Kritisch sehen wir auch die Nutzung von Holz als erneuerbare Energie, da der Wald ein wichtiger CO₂-Speicher ist. Bäume sind zwar ein nachwachsender Rohstoff, aber der Wachstumszyklus der meisten in Europa heimischen Baumarten beträgt mindestens 60 bis 80 Jahre. Zudem steigt die Gefahr von Kahlschlägen, vor allem in Osteuropa. Kritisch sehen wir auch die Nutzung von Totholz zur Energiegewinnung, da dieses ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems ist und daher im Wald verbleiben muss.“ Auffindbar auf Seite 68 unter der Überschrift „Europas Energie kommt aus Wind, Wasser und Sonne!“ auf Seite 67.
In Punkt 3.2. Abs. 2, S. 2 heißt es in der Waldstrategie: „Auch Bewirtschaftungsmethoden wie die Bewirtschaftung mit ungleichaltrigen Bäumen als Dauerwald, ausreichende Mengen Totholz, die Regulierung der Populationen wildlebender Tiere und die Einrichtung geschützter Lebensraumflächen oder stillgelegter Flächen in Wirtschaftswäldern tragen dazu bei, die langfristige ökologische und sozioökonomische Lebensfähigkeit von Wäldern zu gewährleisten.“
Naturschutz muss stets mit Tierschutz einhergehen. Wo Bäume abgeholzt werden, werden Tiere getötet und ihrem Lebensraum beraubt. Die Strategie lässt grundsätzlich das Thema Tiere völlig außer Acht (bis auf Vögel in einem Nebensatz), was jedoch ein zentraler Punkt in der neuen Waldstrategie zu sein hat.
Bereits in meinem ersten Absatz habe ich erläutert, dass der wirtschaftliche Aspekt durchaus nachvollziehbar ist, gerade weil Holz als nachhaltiges Material gut verwendbar ist. Jedoch muss darauf geachtet werden, dass Tiere nicht zu Schaden kommen. Die Strategie lässt bei Rodung der Wälder einschlägige Tierschutz- und rechtsregularien außen vor. Methoden wie Frühjahrsrodungseinschränkungen, Umsiedlung, Prüfung der Bäume auf Nester, sind kein Bestandteil der Strategie, was ich an dieser Stelle stark kritisiere.
Die „Regulierung der Population wildlebender Tiere“ halte ich für falsch. Auffällig ist, dass rhetorisch der Begriff „Jagd“ in der gesamten Strategie nicht benannt wird. Stattdessen verwendet man das soeben verwendete Synonym „Regulierung der Population“. Meine Überzeugung ist es, dass ein gesunder Wald seinen natürlichen Bestand an Tieren aller Art selbst regulieren kann. Ein ökologisches Gleichgewicht besteht aus allen Lebewesen, auch wenn der Mensch sie für bedrohlich oder nicht nachhaltig sieht.
Durch die Möglichkeiten der u.a. Schiffs- und Luftfahrt haben sich Lebewesen dort verbreitet, wo sie eigentlich nicht natürlich zu Hause sind. Die Regulierung der Population nicht invasiver Arten darf nicht mit Tötung einhergehen. Auch dazu beziehe ich mich auf unser Europawahlprogramm auf Seite 96 „“Invasive” Tiere – schonende Populationskontrolle statt Jagd!“, welches ich so auch vollumfänglich unterstütze.
Abschließend möchte ich betonen, dass ich alles befürworte, was sich mit Naturschutz beschäftigt, daher finde ich es grundsätzlich gut, dass es diese Richtlinien gibt. Als Politiker einer Partei, der sich für MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ gleichermaßen einsetzt, empfinde ich diese Richtlinien als positiven Einsatz für die Menschheit. Die Tiere und die Umwelt spielen nur eine untergeordnete, bis keine Rolle, was ich scharf kritisiere.
Ich hoffe, ich konnte Ihr Anliegen zu Ihrer Zufriedenheit klären und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.