Frage an Sebastian Edathy von Peter K. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Edathy,
Sie wurden in den Medien zitiert mit der Aussage, unser Waffenrecht sei "auf der Höhe der Zeit". Einige geringfügige Einschränkungen haben Sie hier in diesem Forum gemacht.
Ich bitte Sie um eine Stellungnahme zu den Forderungen aus dem Offenen Brief der Eltern der in Winnenden ermordeten Kinder, insbesondere zu folgenden Punkten (Zitate):
1. "Die derzeitige gesetzliche Regelung ermöglicht die Ausbildung an einer großkalibrigen Pistole bereits ab dem 14. Lebensjahr. Bedenkt man, dass ein junger Mensch gerade in dieser Zeit durch die Pubertät mit sich selbst beschäftigt und häufig im Unreinen ist, so ist die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre unerlässlich. "
2. "Grundsätzlich muss die Frage erlaubt sein, ob der Schießsport nicht gänzlich auf groß-kalibrige Waffen verzichten kann. Bis in die achtziger Jahre hinein genügten unseres Wissens nach den Sportschützen kleinkalibrige Waffen. Bis heute sind die olympischen Wettkämpfe auf Luftdruck- und Kleinkaliberwaffen beschränkt."
3. "Eine Ordnungswidrigkeit wird eher wie ein Kavaliersdelikt betrachtet. Der Gesetzgeber muss Verstöße gegen das geltende Waffenrecht deutlicher und stärker ahnden."
Werden Sie sich für diese Änderungen einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Krauss
Heidelberg
Berlin, 9. April 2009
Sehr geehrter Herr Krauss,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 7. April 2009.
Einleitend möchte ich betonen, dass ich den „Offenen Brief“ der Angehörigen einiger Opfer des Amoklaufes in Baden-Württemberg mit großem Respekt zur Kenntnis genommen habe. Bei aller verständlicher Betroffenheit ist die Politik jedoch angehalten, nicht in Aktionismus zu verfallen, sondern die im "Offenen Brief" und anderswo vorgebrachten Vorschläge sorgfältig zu bewerten.
Die Heraufsetzung des Mindestalters für den Schießsport auf 21 Jahre halte ich für keine sinnvolle Forderung, sie ist überzogen. Grund dafür ist, dass ich, insoweit in Übereinstimmung mit vielen Experten in diesem Bereich, der Ansicht bin, dass Jugendliche durchaus frühzeitig in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Dies entspricht im Übrigen auch anderen Entscheidungen des Gesetzgebers, die in diese Betrachtung mit einbezogen werden müssen. Mehrere Bundesländer haben beispielsweise das Mindestalter für die Teilnahme an Kommunalwahlen auf 16 Jahre herabgesetzt. Angesichts der Tatsache, dass zudem die Wehrpflicht in der Regel mit Vollendung des 18. Lebensjahres beginnt und während des Wehrdienstes das Schießen Teil der Ausbildung ist, würde eine Heraufsetzung des Mindestalters für den Schießsport auf 21 Jahre auch dazu im Widerspruch stehen. Schließlich darf bei der anhaltenden Diskussion über eine eventuelle Verschärfung des Waffenrechts nicht aus den Augen verloren werden, dass es beim Schießsport um ernst zu nehmende sportliche Wettbewerbe geht und die Ausbildung bzw. die Förderung des Nachwuchses, wie auch in anderen Sportarten, in jungen Jahren beginnen sollte. Andernfalls drohen Wettbewerbsnachteile der deutschen Sportschützen gegenüber solchen aus anderen Ländern. Im Übrigen gibt es keine Sportart, die erst mit 21 Jahren begonnen werden darf.
Selbstverständlich dürfen Jugendliche - nach geltendem Recht - das Schießen nur unter strenger Aufsicht und Kontrolle der Erziehungsberechtigten bzw. des Schützenvereins erlernen. Das geltende Waffengesetz regelt die Voraussetzungen für den Waffengebrauch Jugendlicher im Schützenverein detailliert und knüpft auch an die Zuverlässigkeit des Schützen an. So dürfen beispielsweise Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren auf Schießstätten mit anderen Waffen als Luftgewehren o.ä. grundsätzlich nur dann schießen, wenn der Sorgeberechtigte schriftlich sein Einverständnis erklärt hat oder anwesend ist und eine zur Kinder- und Jugendarbeit geeignete Person das Schießen beaufsichtigt. Alternativ kann ein zur Aufsichtführung berechtigter Sorgeberechtigter sein eigenes Kind selbst beaufsichtigen.
Aus eigener Erfahrung in dem von mir vertretenen Wahlkreis weiß ich um die besondere Bedeutung der Schützenvereine für die Jugendlichen und deren Freizeitgestaltung. Dass dies auch bundesweit gilt, zeigt bereits die Zahl von knapp 350.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von bis zu 26 Jahren, die in den ca. 15.000 Schützenvereinen bzw. deren Jugendorganisationen Mitglied sind. In diesen Vereinsstrukturen wird, gerade in der von Ihnen angeführten Phase der Pubertät, Mitbestimmung, Mitverantwortung, Körpererfahrung, Spaß und Kreativität gelehrt und gelernt. Der Verein übernimmt dabei einen Teil der Aufgabe der Sozialisierung der jungen Menschen und führt sie an einen verantwortungsbewussten Umgang mit anderen Menschen und der Sportwaffe heran.
Trotz des schrecklichen Ereignisses in Winnenden halte ich es daher für falsch, Jugendliche vom Schießsport generell auszuschließen. Ob bei Waffen, die nicht typischerweise als Sportinstrumente eingesetzt werden, eine Einschränkung möglicherweise in Betracht zu ziehen ist, wird derzeit erörtert. Ein generelles Verbot von großkalibrigen Waffen hielte ich aber nicht für sachgerecht. Denn unter der Voraussetzung, dass eindeutig sichergestellt wird, dass diese Waffen ausschließlich den gesetzlichen Vorschriften entsprechend und unter ordnungsgemäßer Aufsicht zum Training eingesetzt werden, kann ich nachvollziehen, wenn Schützen ein Interesse daran haben, auch solche Waffen zur Ausübung ihres Sports zu verwenden.
Die Auffassung, dass Ordnungswidrigkeiten als „Kavaliersdelikte“ behandelt würden, teile ich ausdrücklich nicht. Ordnungswidrigkeiten im Sinne des Waffengesetzes werden mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet. Ich bin der Ansicht, dass die Androhung einer solchen Summe sehr wohl einen Abschreckungseffekt hat. Da diese Geldbuße behörderlicherseits verhängt wird, ergibt sich zudem ein zeitlicher Vorteil gegenüber einem Gerichtsverfahren. Hinzutretend gilt, dass bei Sorgfaltspflichtverletzungen im Umgang mit Waffen, die zu weiteren Schäden oder Verletzungen führen, auch – wie bei dem Vater des Täters von Winnenden – die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Betracht kommt, das mit einer gerichtlichen Verurteilung enden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB