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Frage von Dirk K. •

Frage an Sebastian Edathy von Dirk K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

In einem Interview mit der LZ Lüneburg fordern Sie die Einführung politischer Straftatbestände. Gewalt mit rechtsradikalem Hintergrund soll härter bestraft werden, weil der Tat ein besonderer Unrechtsgehalt innewohne.

1. Wie wollen Sie den Hintergrund juristisch definieren?

2. Viele antisemitischer Übergriffe werden von Muslimen begangen, deren antisemitische Einstellungen, die 3x so häufig wie in der nicht-muslimischen Bevölkerung gemessen wurde (Quelle: Studie des Bundesinnenministeriums von 2007) sich oftmals in keiner Weise von denen der Neonazis unterscheidet und Juden als minderwertig betrachtet? (Quelle: Interview TAZ mit N. Kelek v. 15.03.09 u.w.)
Fordern Sie dann konsequenterweise hier auch eine Strafverschärfung?

3. Unter Türken und Muslimen gibt es eine weit verbreitete Ablehnung und Verachtung gegenüber den Deutschen und ihren Verhaltensweisen, insbesondere deutschen Frauen gegenüber.
Auch hier werden Straftaten begangen. Wenn diese den oben geschilderten Hintergrund haben: Sind Sie auch hier für eine Strafverschärfung? (Quelle: siehe oben)

4. Wenn Linksextremisten wie am 01. Mai in Berlin, kürzlich beim NATO-Gipfel etc. massive Gewalt gegen Polizisten, Unbeteiligte, Rettungskräfte und Privateigentum anwenden: Glauben Sie, daß diese dann die Polizisten ("Bullenschweine" "Systembüttel") und Rettungskräfte ("Teil des rassistischen, faschistoiden Systems") als menschliches Gegenüber betrachten? Quelle u.a.:
http://aw.antifa.de/pdf/nb_04.pdf
http://www.antifas.de/daten/s/slime_wwkbullenschweine.htm
http://www.autonome-antifa.org/spip.php?page=antifa&id_breve=1803&design=2
Tageschau, Reuters, DPA zu o.a. Ereignissen

5. Erst kürzlich gab es erneut einen brutalen "Ehrenmord" an einer Kurdin, die von ihren Brüdern erschlagen wurde. Der Tat liegt ein Frauenbild (minderwertig) und eine Vorstellung von Ehre und Moral (vor-archaisch) zu Grunde, die ebenfalls den "besonderen Unrechtsgehalt" besitzt, den Sie anführen. Setzen Sie sich auch hier für härtere Strafen ein?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Krüger,

vielen Dank für Ihre Fragen vom 6. April 2009 zum Thema Strafschärfungen bei der so genannten Hasskriminalität.

Ich habe mich zu dieser Thematik zwar bereits mehrfach in diesem Forum
geäußert. Dennoch möchte ich Ihre Fragen beantworten.

Ziel meiner Forderung nach Strafschärfungen bei rechtsextremen und fremdenfeindlichen Straftaten und für die Möglichkeit der Nichtaussetzung von Freiheitsstrafen zur Bewährung in Fällen von Hasskriminalität war es nicht, in Abrede zu stellen, dass es auch Gewalt von Ausländern gegenüber Deutschen gibt. Ich bezweifle jedoch, dass bei einer größeren Anzahl von Gewalttaten von Ausländern gegen Deutsche die deutsche Herkunft bzw. die blonden Haare und blauen Augen der Opfer, also Rassismus, das Motiv für die Gewalttat sind. Auch Migrationsforschern, die sich mit dem Thema beschäftigen, ist ein solches Phänomen nicht bekannt. Die Besonderheit von Hassgewalt liegt darin begründet, dass sie über die Leidenszufügung an den jeweiligen Opfern hinaus geeignet ist, Teile der Bevölkerung zu verunsichern und in Angst zu versetzen. Zudem ist Hassverbrechen ein besonderer Unrechtsgehalt immanent: Die Opfer solcher Verbrechen werden als Vertreter einer in den Augen der Täter verächtlich gemachten Gruppe angegriffen, welcher sie tatsächlich oder zugeschriebenerweise angehören. Damit stellen solche Übergriffe auch einen Angriff auf die zentralen Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland an sich dar. Die Hasskriminalität ist auch deshalb besonders gefährlich, weil sie die Basis unseres zwischenmenschlichen Zusammenlebens angreift: Die Universalität der Menschenwürde. Die Täter wählen ihre Opfer meist zufällig aus, ohne dass eine direkte oder persönliche Beziehung besteht. Die Opfer werden stellvertretend für eine den Tätern verhasste Minderheitengruppe allein aufgrund z.B. ihrer Hautfarbe, Nationalität, Religion, einer Behinderung oder einfach ihres Lebensstils zu Opfern. Besonders dramatisch ist: Die Betroffenen können nichts daran ändern. Ihre „Merkmale“, weshalb sie Opfer von brutalen Gewaltattacken geworden sind, sind von ihnen nicht beeinflussbar. Sie werden symbolisch für eine gesamte Gruppe erniedrigt. Andere Gewalttaten sind dagegen in der Regel Beziehungsstraftaten.

Zwar haben die Gerichte nach § 46 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) bereits nach geltender Rechtslage bei der Strafzumessung die Umstände abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei enthält § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB eine Zusammenfassung von Umständen, die namentlich bei der Zumessung zu berücksichtigen sind. Genannt werden hierbei u.a. die Beweggründe und die Tatziele sowie die Gesinnung, die aus der Tat spricht und der bei der Tat aufgewendete Wille.

Der vom Bundesrat beschlossene und dem Bundestag am 13. August 2008 zur Beratung zugeleitete Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 16/10123) zielt darauf ab, dass Straftaten, welche durch die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, „Rasse“, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers motiviert sind, zukünftig ein eigenständiger und regelmäßig strafverschärfend zu wertender Gehalt beigemessen wird. Diesen Gesetzesentwurf unterstütze ich. Nicht hingegen fordere ich – wie Sie es schreiben – die Einführung (weiterer) politischer Straftatbestände. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Strafzumessung, die mit dem erhöhten Unrechtsgehalt einer solchen Tat begründet ist. Diese Neuregelung gälte selbstverständlich für jeden, der die subjektiven Voraussetzungen der Strafnorm erfüllt – es erfolgt insoweit ausdrücklich keine Einschränkung auf Taten mit rechtsextremem Hintergrund. Die Feststellung des Tatbestandes eines Strafgesetzes ist – wie in jedem strafrechtlichen Gerichtsverfahren – Aufgabe des Tatrichters.

Konkret will der Gesetzentwurf in § 47 StGB ausdrücklich klar stellen, dass bei solchen Delikten die Regel umgekehrt wird, wonach Geldstrafe an Stelle kurzer Freiheitsstrafe tritt. Nach dem vorliegenden Entwurf soll in § 56 Abs. 3 StGB verankert werden, dass bei einer verhängten Freiheitsstrafe von über sechs Monaten die Aussetzung der Vollstreckung in der Regel nicht erfolgt. Da diese von Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit und (weiteren) Vorurteilen getragenen Taten – anders als dies üblicherweise bei sonstigen Straftaten der Fall ist – auf Zustimmung und Nachahmung angelegt sind, soll den Tätern und potentiellen Nachahmern mit den Mitteln der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 StGB) und der regelmäßigen Vollstreckung von Freiheitsstrafen über sechs Monaten die besondere Verwerflichkeit und das Risiko ihres Agierens verdeutlicht werden und damit eine generalpräventive Wirkung entfaltet werden.

Die Logik der angestrebten Gesetzesänderungen ist dem deutschen Strafgesetzbuch nicht fremd. Beim Straftatbestand des Mordes (§ 211 StGB) wird bereits heute auf die Motive der Straftat (sog. niedere Beweggründe) abgestellt. Damit ist auch Ihre Frage nach den sog. Ehrenmorden beantwortet, denn diese werden von den Gerichten regelmäßig als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet, und dafür sieht das Strafgesetzbuch bereits jetzt die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe vor. Da dies die höchstmögliche Strafe ist, die das deutsche Strafrecht kennt, stellt sich die Frage einer Strafschärfung in solchen Fällen von vornherein nicht.

Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass bereits im Jahr 2002 die Europäische Kommission als Maßnahme gegen Rassismus und Intoleranz gegenüber der Bundesrepublik gefordert hat, rassistische Beweggründe bei allen Straftaten als strafverschärfend zu bewerten. Hinzukommend ist während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 einstimmig ein Rahmenbeschluss ergangen, in dem die Justizminister der EU fordern, rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe bei Gewalttaten als strafverschärfend zu berücksichtigen. In Großbritannien, Schweden, Spanien und Italien sind die entsprechenden Rechtsnormen bereits vor geraumer Zeit entsprechend verändert worden. In der Bundesrepublik Deutschland sollte meiner Meinung nach ebenso verfahren werden.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB