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Sebastian Edathy
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Frage von Bernhard R. •

Frage an Sebastian Edathy von Bernhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

Sie weisen die Frage von Frau Petra Baum (26. Jan. 2009) zurück und "verweisen auf einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung" in ihrer heutigen Ausgabe"(27. Jan. 2009).

Ich habe unter dem angegebenen Datum trotz Eingabe von "Migrant", "Türke" und "Türkei" in der SZ-Suchmaschine keinen diesbezüglichen Bericht gefunden.

Es gibt einen Bericht vom 26. Jan. 2009. Dieser ist aber im Kern seiner Aussage praktisch deckungsgleich mit dem von Frau Baum angegebenen Artikel in der "WELT".

Man könnte auf die Idee kommen, daß Sie mit Ihrem Verweis auf die SZ einen WELT-Beitrag als widersprochen darstellen wollen. Da ich Ihnen das nicht unterstellen will, bitte ich um genaue Quellenangabe.

Im übrigen läßt sich doch nicht abstreiten, daß die Türken die am schlechtesten integrierte Zuwanderer-Gruppe sind. Könnte das daran liegen, daß zu viele Interessenvertreter mit dieser Herkunft bei ihnen den Eindruck erwecken, daß es ganz in Ordnung ist, wenn man hier in einer Parallelgesellschaft lebt?

Ich halte es auch nicht für angemessen, daß beim Thema Integration überwiegend über Türken bzw. Türkischstämmige gesprochen wird. Sie stellen nur 17,7 % der Migranten. Hauptsächlich über deren Probleme zu diskutieren und die "restlichen" 82,3 % gewissermaßen zu vergessen, halte ich für eine Beleidigung dieser wesentlich größeren Gruppe.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Riffel

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Antwort von
SPD

Berlin, 3. Februar 2009

Sehr geehrter Herr Riffel,
Ihre Zuschrift vom 29. Januar 2009 habe ich gelesen.

Der Titel des erwähnten Artikels in der "Süddeutschen Zeitung" vom 27. Januar 2009 ist „Integrationsstudie sorgt für Empörung“. Er erschien auf Seite 5. Da er nicht über die Online-Präsenz der Zeitung aufzurufen ist, habe ich ihn untenstehend eingefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB

Integrationsstudie sorgt für Empörung
Islamwissenschaftler und Ausländerverbände bezweifeln, dass die 2,8 Millionen Türken in Deutschland besonders schlecht eingegliedert sind

Von Roland Preuß
München - Eine Studie des Berlin-Instituts, wonach Türkischstämmige in Deutschland besonders schlecht integriert sind, hat eine neue Kontroverse über die Eingliederungspolitik entfacht. Sie sei über die Ergebnisse der Studie erschrocken, man dürfe sich dadurch aber nicht entmutigen lassen, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Montag in Berlin. "Deutschland kann das Potential, das in den Zuwanderern liegt, auf gar keinen Fall brachliegen lassen." Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), nannte die Zahlen "dramatisch". Viele türkische Zuwanderer hätten nur sehr geringe Bildungsabschlüsse mitgebracht, deshalb "können die Kinder auch nicht entsprechend gefördert werden", sagte Böhmer.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Hartmut Koschyk, sagte, die Studie zeige, dass es vor allem auf den Integrationswillen der Zuwanderer selbst ankomme. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) hielt dagegen, die meisten türkischstämmigen Eltern wollten durchaus einen Bildungserfolg ihrer Kinder, es fehle jedoch an einer "Aufsteiger-Mentalität". Die Deutschen müssten die Aufstiege zulassen, die Migranten müssten sie aber auch wollen. Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy sagte, man dürfe den Türkischstämmigen keinen Leistungs- oder Lernunwillen unterstellen. "Das wäre infam."

Der Islamwissenschaftler Bekir Alboga bezweifelte die Studie. Der Misserfolg türkischer Migranten sei wissenschaftlich nicht belegt, sagte der Dialogbeauftragte des Moscheen-Dachverbandes Ditib. In Deutschland lebten viele erfolgreiche türkische oder türkischstämmige Menschen. "Es gibt kaum einen Berufszweig, in dem Sie nicht sehr vorbildliche türkischstämmige Menschen finden", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hielt den Autoren der Studie vor, die Ausgangssituation der Einwanderer auszublenden. Deren Probleme seien nicht viel anders als die der deutschen Unterschicht. "Die Zeiten gegenseitiger Beschuldigung sind vorbei", sagte Kolat.

Der Studie des Berlin-Instituts zufolge schneiden Menschen mit türkischen Wurzeln, die zweitgrößte Zuwanderer-Gruppe in Deutschland, bei Bildung, Arbeitsmarkt und der Abhängigkeit von Sozialleistungen besonders schlecht ab. Während unter den Türkischstämmigen im erwerbsfähigen Alter 30 Prozent keinen Bildungsabschluss hätten, seien es bei Zuwanderern aus dem Fernen Osten lediglich 18 Prozent. Auch Einwanderern aus Afrika und dem Nahen Osten sowie ihren Nachkommen bescheinigen die Berliner Forscher vergleichsweise schlechte Werte (siehe Tabelle).

Einen Schulabschluss, der zum Besuch einer Hochschule berechtigt, erreichten nur 14 Prozent der Türkischstämmigen, während der Schnitt unter den Deutschen ohne Zuwanderungsgeschichte bei 38 Prozent liege. Eine der Ursachen sei, dass die meisten der etwa 2,8 Millionen Türkischstämmigen als Gastarbeiter mit geringer Qualifikation gekommen seien. Die jüngere Generation lasse "wenig Bildungsmotivation erkennen".

Überraschend gut schneiden Aussiedler ab. Sie stellen mit etwa vier Millionen Menschen die größte Zuwanderer-Gruppe. Aussiedler brächten vergleichsweise hohe Bildungsabschlüsse mit, seien selten arbeitslos (15 Prozent Erwerbslosenquote), die in Deutschland geborenen Kinder integrierten sich deutlich besser als ihre Eltern. Die Untersuchung beruht auf dem Mikrozensus, einer Erhebung unter 800 000 Bürgern im Jahr 2005.

Die Zahlen stehen teilweise im Widerspruch zu bisherigen Studien. Eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit von 2007 war zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Aussiedler besonders schwertun, eine Stelle zu finden. Die Arbeitslosigkeit unter diesen Zuwanderern sei sogar noch höher als die unter den übrigen Zuwanderern, so das Institut.

Der Berliner Studie zufolge gibt es starke regionale Unterschiede beim Integrationserfolg. Hessen und Hamburg haben viele erfolgreiche Migranten, das Saarland besonders wenige. Beim Vergleich der Städte sind München und Bonn vorne, Nürnberg und Duisburg auf den letzten Plätzen. Erfolgreich sind vor allem Regionen mit starker Wirtschaftskraft wie im Fall Hessen und München. Im Ruhrgebiet und im Saarland dagegen ließ die Krise der Kohle- und Stahlindustrie viele Arbeiter aus dem Ausland bis heute ohne Job zurück.

(Quelle: "Süddeutsche Zeitung", 27.01.2009)