Frage an Sebastian Edathy von Dilip G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Her Edaty:
Ich möchte Ihnen für Ihre Kommentare in den Fall “Rechtsstaat absurd-wie aus Deutsche Iraker gemach werden,” herzlich Loben.
Menschen leben manchmal an Ungerechtigkeiten vorbei weil Sie unwissend sind oder nicht aufgeklärt. Dies kann natürlich auch Politikern und Juristen wiederfahren. Nach der Panorama Sendung von letzten Jahr, kann man nun davon ausgehen dass wir uns alle bewusst sind dass solch ein ungerechtes anachronistisches Gesetz immer noch besteht.
Herr Edathy, hat sich seit den Panorama Bericht etwas in dieser Gesetzesgebung geändert oder getan? Ich verfolge seit letzten Frühjahr eine Neuentwicklung von diesen Gesetz, werde aber nicht fündig. Ich hoffe doch das die geschätzten 200,000 betroffenen Menschen nicht einfach wieder vergessen worden sind!
Könnten Sie mich bitte über die Entwicklungen was diese Gesetzesmodifizierung angeht aufklären? Wann glauben Sie wird eine Aenderung Eingehen?
Mit Freundlichen Gruessen,
Dilip Desai
Berlin, 27. Januar 2009
Sehr geehrter Herr Gor,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 22. Januar 2009 zum Thema
Staatsangehörigkeitsrecht.
Wie Sie den Medien entnommen haben, setze ich mich für die Möglichkeit der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft für vor dem Jahr 1975 geborene Kinder ausländischer Mütter ein. Dazu habe ich einen entsprechenden Vorschlag für einen Gesetzentwurf zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) verfasst. Über das weitere Vorgehen wird diskutiert, und ich hoffe, dass trotz der Widerstände, die derzeit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen bestehen, eine entsprechende Entscheidung durch den Deutschen Bundestag erfolgen wird.
Zum Hintergrund: Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1974 (BVerfGE 37, 217), das die bis dahin geltende Praxis, dass für die Staatsbürgerschaft des Kindes nur die Nationalität des Vaters maßgeblich ist, für verfassungswidrig und nichtig erklärte, wurde der maßgebliche § 4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) mit Gesetz vom 21. Dezember 1974 geändert. Danach erwarben eheliche Kinder, die nach dem 1. Januar 1975 geboren wurden, die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn einer der beiden Elternteile deutsch war.
Nach dem 1. April 1953 und vor dem 1. Januar 1975 geborenen ehelichen Kindern einer deutschen Mutter und eines nicht-deutschen Vaters wurde eine Frist bis zum 31. Dezember 1977 eingeräumt, eine förmliche Erklärung abzugeben, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten wollten. Von dieser Frist haben viele der damals nicht in der Bundesrepublik lebenden Betroffenen keine Kenntnis gehabt und sie daher versäumt. Trotz zum Teil perfekter deutscher Sprachkenntnisse und dem als Kind einer deutschen Mutter nachvollziehbaren Wunsch, Staatsbürger der Bundesrepublik zu sein, erfolgt für diese Personen entsprechend keine Einbürgerung, und auch dauerhafte Aufenthaltstitel werden nicht verliehen. Ob es sich um eine Zahl von 200.000 oder deutlich weniger Betroffene handelt, vermag ich nicht abschliessend einzuschätzen, dies ist für die Materie allerdings auch nicht erheblich.
Die von mir vorgeschlagene Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes soll die Erklärungsmöglichkeit ohne Frist und weitere Bedingungen wieder herstellen. Grund dafür ist, dass es dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, wenn diskriminierende gesetzliche Regelungen, die offenkundig dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG widersprechen, fortgeführt werden. Zwar wurde nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1974 den von der Altregelung Betroffenen eine Erklärungsfrist eingeräumt. Diese war jedoch zu kurz, um die vielfach im Ausland lebenden Betroffenen zu erreichen.
Wie ein solches Einbürgerungsverfahren praktisch ausgestaltet sein würde, bedarf noch der Diskussion. Ich würde mich – bei Konkretisierung meines Vorhabens – aber dafür einsetzen, dass in diesen Fällen eine Möglichkeit der Mehrfachstaatsangehörigkeit geschaffen wird. Es entspricht nicht meinem Gerechtigkeitsempfinden, wenn einerseits eine diskriminierende Regelung endlich aufgehoben, aber andererseits zugleich der Zwang zur Abgabe der ursprünglichen Staatsangehörigkeit begründet würde.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen leider keine konkreteren Informationen geben, möchte Ihnen jedoch versichern, dass ich mich weiterhin für eine entsprechende Änderung des StAG einsetzen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB