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Frage von Kurt F. •

Frage an Sebastian Edathy von Kurt F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edaty,

Sie antworteten Herrn Hasel:

´Eine ferngesteuerte Online-Durchsuchung im Einzelfall ist in meinen Augen ein weniger schwerer Grundrechts-Eingriff als die Erlaubnis zur heimlichen Wohnungs-Betretung ´

Warum ist das ein weniger schwerer Grundrechtseingriff? Warum ist es weniger schlimm, die privaten Fotos eines Bürgers heimlich online aus dem Rechner zu stehlen, als sie unmittelbar vor Ort anzusehen? Warum soll ein Brief aus Papier schützenswerter sein als der Brief selben Inhalts als PDF-Datei? Bitte erlären Sie mir das, denn ich verstehe Sie nicht!

Wie Sie an den heftigen Reaktionen sehen, haben die Bürger Angst vor den neuen Befugnissen der Polizeien. Und zwar völlig zurecht, denn bisher gab es in Deutschland keine heimlichen Durchsuchungen. Jeder erfur es deshalb sofort, wenn er Betroffener einer Durchsuchung wurde. Nachdem aber dieses Tabu gebrochen ist, kann sich kein Bürger jemals mehr sicher sein, nicht gerade heimlich ausgeforscht und seiner Privat- und Intimsphäre beraubt zu werden.

Also nochmal: Warum finden sie es weniger schlimm, einen elektronisch gespeicherten Brief heimlich zu lesen, als denselben Brief auf Papier heimlich zu lesen?

Meiner bescheidenen Meinung nach ist es die Heimlichkeit, die die Schwere des Grundrechtseingriffs einer Durchsuchung potenziert. Ob man dann Online oder vor Ort heimlich durchsucht, macht dann auch keinen großen Unterschied mehr.

"Das Bild der Strafprozessordnung von einer rechtmäßigen Durchsuchung ist dadurch geprägt, dass Ermittlungsbeamte am Ort der Durchsuchung körperlich anwesend sind und die Ermittlungen offen legen. (...) Dafür sprechen zunächst die Vorschriften der Strafprozessordnung über die Durchführung der Durchsuchung. § 106 Abs. 1 Satz 1 StPO sieht ausdrücklich ein Recht des Inhabers der zu durchsuchenden Räume oder Gegenstände auf Anwesenheit vor."

Das sind die Worte des BGH. STB 18/06 und sie decken sich mit meiner Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit. Heimlich ist Stasi.

Kurt Felgendreher

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Antwort von
SPD

New Delhi, 19. November 2008

Sehr geehrter Herr Felgendreher,
bezüglich Ihrer Fragen vom 15. November 2008 merke ich an:

1) "Heimlich ist Stasi." Das ist ein Satz, den ich nicht akzeptiere. Auch richterlich ermächtigte Telefonüberwachungen bei Verdacht auf Straftaten ereignen sich naturgemäß heimlich. Ohne heimliche Observation hätte 2007 die sogenannte "Sauerland-Gruppe" im Rahmen des geltenden Rechts nicht dingfest gemacht werden können.

2) Man kann darüber streiten, ob eine Online-Durchsuchung vertretbar ist. Ich selber sehe das im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht definierten Maßgaben jedenfalls so. Ihre Voraussetzung ist, dass die Vorbereitung terroristischer Anschläge vermutet wird. Vielleicht werfen Sie diesbezüglich mal einen Blick in den vom Bundestag in der letzten Woche beschlossenen Gesetzestext. Die Annahme, es könne "kein Bürger jemals mehr sicher sein, nicht gerade heimlich ausgeforscht" zu werden, ist hanebüchen.

3) Bezüglich der Online-Durchsuchung per physischer Manipulation am in der Wohnung befindlichen Rechner (die ich, wie bereits in früheren Ausführungen auf diesem Forum betont, ablehne) und der Online-Durchsuchung per Ferneingriff gibt es einen erheblichen Unterschied, den ich ebenfalls bereits mehrfach beschrieben habe. In der Sache scheint es bei Ihnen ein Mißverständnis zu geben: Auch beim physischen Zugriff auf den in der Wohnung befindlichen Rechner würden die Daten elektronisch übertragen und dann ausgewertet werden. Der Unterschied läge nicht in der Art der Auswertung, sondern in der Weise des Einspeisens eines Ausspähprogramms.

4) Das zentrale Argument für die Online-Durchsuchung als solche ist folgende Überlegung: a) Wenn es Hinweise darauf gibt, dass sich Unterlagen bezüglich der Vorbereitung terroristischer Anschläge auf einem Rechner befinden - soll dann eine Hausdurchsuchung angeordnetet werden, in deren Rahmen ein Rechner beschlagnahmt werden kann? Wenn man dies so handhaben würde, wären dann nicht im Einzelfall Mitwisser oder andere Mitglieder einer entsprechenden Terror-Zelle gewarnt? Vermutlich ja. b) Wenn entsprechend also der Versuch statthaft sein kann, einen heimlichen Zugriff auf einen Rechner zur Auslesung relevanter Inhalte vorzunehmen, sollte hierfür der Weg der Fern-Auslesung gewählt werden oder der Weg eines heimlichen Wohnungs-Betretens zur Installation der entsprechenden Software? Ich meine: Wenn überhaupt, dann nur der erstgenannte Weg.

5) Eine Online-Durchsuchung kann überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn kein minderschwerer Eingriff möglich und die Maßnahme verhältnismäßig ist. Die Unverhältnismäßigkeit der Kritik daran ist hingegen evident.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB