Frage an Sebastian Edathy von Günter H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Edathy,
entgegen Ihrer Antworten vom 12. und 20.9.08 zu meiner Anfrage des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren und der Marine gegen Kriminelle auf deutschen Schiffen in internationalen Gewässern (Anwendung deutschen Rechts) habe ich jetzt den Medien entnommen, dass sich die Fraktionsvorsitzenden der CDU und SPD (ehemaliger Verteidigungsminister) auf den Einsatz der Bundeswehr im Inneren und eine Grundgesetzänderung geeinigt haben.
Welche Änderungen sind im Grundgesetz geplant und unter welchen Voraussetzungen soll die Bundeswehr im Inneren gegen die Bürger eingesetzt werden?
Soll die klare Aufgabentrennung zwischen äußerer und innerer Sicherheit aufgehoben werden? Wie wird den unterschiedlichen Zielen, der unterschiedlichen Motivation der Berufsbewerber, dem jeweiligen Anforderungsprofil, der Aus- und Fortbildung, der Ausrüstung, den Führungsstrukturen und dem beruflichen Selbstverständnis eines Soldaten und Polizeibeamten Rechnung getragen? Kann eine Militarisierung der inneren Sicherheit und somit der Polizei verhindert werden?
Ist das Parteiprogramm der SPD in diesem Bereich nicht mehr gültig?
Sind Parteien- und Politikerverdrossenheit sowie Parteiaustritte und die Zunahme der Nichtwähler unter diesen Umständen nicht verständlich?
Mit freundlichen Grüßen
Günter Heemann
Rehburg, 9. Oktober 2008
Sehr geehrter Herr Heemann,
ich bedanke mich für Ihre Fragen vom 7. Oktober 2008.
Artikel 35 des Grundgesetzes regelt den Einsatz der Bundeswehr im Inland in Fällen von Naturkatastrophen und Unglücken.
Hier ist nach geltendem Verfassungsrecht vorgesehen, dass die Bundeswehr die Arbeit der Polizei unterstützen kann - zum Beispiel durch Sandsäcke-Schleppen bei Flut-Ereignissen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Luftsicherheitsgesetz u.a. festgelegt, dass Artikel 35 den Einsatz der Bundeswehr mit Mitteln, die der Polizei nicht zur Verfügung stehen, ausschließt.
Das ist der Grund dafür, warum innerhalb der Koalition in Berlin seit geraumer Zeit über eine Neufassung von Artikel 35 diskutiert wird.
Position der Innenpolitiker der SPD ist, dass im Rahmen von Artikel 35 bei zwei Szenarien der Einsatz der Bundeswehr mit spezifischem Bundeswehrgerät ermöglicht werden sollte: Bei Zwischenfällen in der Luft und auf See. Dies, weil die Polizei nicht über Flugzeuge und Marineboote verfügt.
Der Entwurf für eine Änderung des Grundgesetzes, der am Wochenende im sogenannten Koalitionsausschuss beraten wurde, geht darüber deutlich hinaus und soll, statt eine Spezial-Regelung im genannten Sinne zu treffen, eine generelle Option für einen militärischen Einsatz der Bundeswehr innerhalb des Staatsgebietes eröffnen.
Ich halte das für zu weitgehend und habe meine Kritik auch öffentlich geäußert.
Es muss dabei bleiben, dass für die Gewährleistung der inneren Sicherheit im Kern die Polizei zuständig ist. Die Bundeswehr ist eine Verteidigungsarmee und für die äußere Sicherheit zuständig. Im Inland kann und sollte sie auch künftig nur unter engen Voraussetzungen tätig werden - und militärisch in Friedenszeiten, wie erwähnt, nur bei Bedrohungen aus der Luft und auf bzw. von See.
Diese Haltung werde ich in der kommenden Zeit weiterhin vertreten. Über Änderungen des Grundgesetzes entscheidet übrigens kein Koalitionsausschuss, sondern der Deutsche Bundestag.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy