Frage an Sebastian Edathy von Günter H. bezüglich Recht
Worin besteht der Unterschied eines Raubüberfalls mit Geiselnahme und Entführung auf eine Bank, eine Eisenbahn, ein Flugzeug oder ein Schiff? Bei Bank, Eisenbahn und Flugzeug wird die zuständige Polizei eingesetzt, bei einem deutschen Schiff soll lt veröffentlichter Meinung die Deutsche Marine eingesetzt werden!
Im nationalen Territorium ist und bleibt das für die innere Sicherheit zuständige Organ für die präventive und repressive Kriminalitätsbekämpfung zuständig.
Ein unter deutscher Flagge fahrendes Schiff unterfällt grundsätzlich auf hoher See, also außerhalb eines Hoheitsgebietes (in Europa ab 12 Seemeilen), dem deutschen Recht.
Warum also will die Deutsche Marine gegen Kriminelle, nichts anderes sind Piraten und sollten also auch so behandelt werden, am Horn von Afrika oder in anderen internationalen Seegebieten vorgehen? Soll hier vielleicht durch die internationale Hintertür der Einsatz des Militärs auch im Inneren unseres Landes vorbereitet werden? Was ist eigentlich mit den auf europäischer Ebene gebildeten Polizeieinsatzkräften? Sind die nur an Land und in der Luft einsatzfähig und nicht auf dem Wasser?Unabhängig von der Tatsache, dass die Anrainerstaaten für die von und vor ihren Küsten raubenden und mordenden Piraten (Kriminellen) verantwortlich und zuständig sind, ist vor allem die Frage zu klären, warum gibt es Piraterie gerade in diesen Seegebieten. Das ist eine außen- und sicherheits- sowie entwicklungspolitische Aufgabe der Bundesregierung, keine militärpolitische. Da Schiffe unterschiedlicher Nationen und Flaggen betroffen sind, sind neben den Anrainerstaaten alle betroffenen Flaggenstaaten zum Schutz ihrer Schiffe und zur gemeinsamen Problemlösung aufgerufen. Hier ist eine europäische Lösung z.B. durch den Einsatz einer europäischen Polizeieinheit zur Begleitung und Sicherung der Schiffe in den gefährdeten Seegebieten, wie im Bahn- und Luftverkehr, erforderlich. Das Militär könnte höchstens technisch, organisatiorisch und logistisch unterstützen.
Sehr geehrter Herr Heemann,
obwohl Sie offenkundig weder eine Anrede noch eine Grußformel für nötig halten, will ich zu Ihren Fragen vom 9. September 2008 zum Thema "Einsatz von Marineschiffen gegen Piraten" Stellung nehmen.
Zunächst einmal möchte ich betonen, dass Ihre Befürchtung, dass „durch die internationale Hintertür der Einsatz des Militärs auch im Innern unseres Landes vorbereitet werden“ solle, unbegründet ist. Die SPD spricht sich gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Innern zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben aus. Ein solcher widerspricht übrigens auch der derzeitigen Verfassungslage, einer entsprechenden Grundgesetzänderung würde die SPD nicht zustimmen.
Ich stimme Ihnen insoweit zu, als dass nach der Ordnung des Grundgesetzes der Kampf gegen Piraten als Polizeiaufgabe gilt, für die grundsätzlich die Bundespolizei zuständig ist. Hingegen darf die Marine lediglich Nothilfe bei Piratenangriffen leisten. Grund dafür ist, dass das Grundgesetz Einsätze der Bundeswehr nur zur Verteidigung und nur insoweit erlaubt, wie es die Verfassung ausdrücklich zulässt.
Die Verfolgung von Piraten nach einem erfolgten Angriff gilt jedoch nicht als Nothilfe - selbst dann nicht, wenn ein Boot gekapert und die Besatzung entführt wurde. Diese Situation ist unbefriedigend, da die Marine in einem solchen Fall quasi sehendes Auges zum Nichtstun gezwungen wäre. Dies gilt um so mehr, da - anders als die Bundespolizei - die Bundeswehr im Rahmen der US-geführten Anti-Terror-Mission „Operation Enduring Freedom“ (OEF) schon seit Jahren mit Schiffen vor der gefährdeten somalischen Küste vertreten ist.
Die nunmehr gefundene Lösung, dass die Bundeswehr im Rahmen einer EU-Mission tätig werden soll, halte ich für vertretbar. Solche Einsätze im Rahmen eines „Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ erlaubt das Grundgesetz in Artikel 24. Aufgrund des Wesens als „Parlamentsheer“ muss der Bundestag der Beteiligung an einer EU-Anti-Piraten-Aktion allerdings noch zustimmen.
Völkerrechtlich sind diese Einsätze der Marine kein Problem.
Das Seerechtsübereinkommen von 1982 erlaubt es, Piratenschiffe anzuhalten, zu beschlagnahmen, Piraten festzunehmen und vor Gericht zu stellen. Eine konkrete Gefahrensituation ist nicht erforderlich. Anfang Juni 2008 beschloss der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1816, dass diese Rechte auch innerhalb der 12-Meilen-Zone Somalias wahrgenommen werden können. Die somalische Regierung stimmte dieser Resolution zu.
Meiner Ansicht nach wurde damit eine internationale Lösung gefunden, die grundrechts- und völkerrechtskonform sowie zugleich sinnvoll ist.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB