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Frage von Dr. Andreas van A. •

Frage an Sebastian Edathy von Dr. Andreas van A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

mit großem Interesse habe ich Ihren Disput mit Frau Müller verfolgt. Was halten Sie denn davon, Ihre Schülergruppen gezielt auf das Thema Wehrpflicht, Wehrgerechtigkeit und Diskriminierung anzusprechen? Das könnte weitaus interessanter sein, als nur auf Fragen zu warten.

Sind 0,25 % weniger Wachstum für Sie vernachlässigbar? Soviel kostet uns nämlich die Beibehaltung der Wehrpflicht nach den jüngsten Ergebnissen des Helsinki Centers of Economic Research in der gerade veröffentlichten Studie „Military Draft and Economic Growth in OECD Countries“.

http://ethesis.helsinki.fi/julkaisut/eri/hecer/disc/228/military.pdf

http://www.handelsblatt.com/politik/international/wehrpflicht-kostet-wirtschaftswachstum;2021446

Der Unterschied zwischen Dienen und Nichtdienen besteht übrigens in finanzieller Hinsicht auch nach dieser Studie im Verlust des besonders hohen letzten Verdienstjahres und damit in der Größenordnung von durchschnittlich zigtausend Euro.

Berücksichtigt man, dass auch über die Wehrpflicht nicht unbedingt die charakterlich am besten geeigneten Männer zur Bundeswehr gekommen (siehe die diversen Bundeswehrskandale) und eine Armee im Einsatz per se Nachwuchsprobleme hat, stellt sich bei Ihrer Argumentation die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

Glauben Sie wirklich, dass ein junger Mann, der durch die Wehrpflicht 9 Monate Zeitverlust, zigtausend Euro weniger Gehalt und eine verminderte Rente hinnehmen muss, durch ein eventuelles mehr an charakterlich geeigneten Soldaten bei der Bundeswehr sonderlich zu beeindrucken ist?

Und warum glauben Sie nicht, dass mit attraktiveren Stellen und besserer Besoldung nicht ebenfalls bessere Leute für die Bundeswehr zu gewinnen wären?

Mit freundlichen Grüßen

A. van Almsick

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. van Almsick,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Wehrpflicht vom 4. September 2008.

Wie Sie meinen vorherigen Antworten zu diesem Thema haben entnehmen können, hielte ich eine Berufsarmee als inhaltliches Ziel für falsch. Dies habe ich auch bereits hinreichend mit Argumenten unterlegt. Vorstellen könnte ich mir indes eventuell eine temporäre Aussetzung der Wehrpflicht. Bei diesem Thema sollten m.E. allerdings nicht allein ökonomische Gründe eine Rolle spielen.

Die Alternative zur Wehrpflicht wäre, den notwenigen Personalersatz der Bundeswehr allein über den allgemeinen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Das aber würde erhebliche Probleme und Unsicherheiten betreffend Umfang, Qualität, Sozialbindung und Kosten mit sich bringen. So blieben im Falle der Entscheidung für eine Berufsarmee viele Fragen offen: Kommen die Freiwilligen in jedem Jahr in der erforderlichen Zahl? Bewerben sich tatsächlich diejenigen, die nach Tauglichkeit und Qualifikation dem Anforderungsprofil der Streitkräfte entsprechen? Wird sich nicht die Mentalität von Streitkräften ändern, wenn militärische Aufträge der Politik zunehmend als Dienstleistung ausgeführt werden? Outgesourct von einer Gesamtgesellschaft, die darauf vertraut, dass eben jeder den Job, für den er bezahlt wird, auch ordentlich erledigt? Wie teuer wird es den Bundeshaushalt kommen, wenn erhebliche materielle Anreize für geeignetes Personal zu finanzieren sind?

Die einschlägigen Erfahrungen aus den Streitkräften solcher NATO-Partner, die von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee übergegangen sind, klingen übrigens wenig ermutigend.

In meinen Gesprächen mit Schülergruppen aus dem Wahlkreis mache ich übrigens keine thematischen Vorgaben und hielte dies auch für falsch. Die Schüler/innen sind meist gut vorbereitet und haben die Fragen, die sie mir stellen, im Unterricht vorbereitet. Wenn das Thema Wehrpflicht für die jungen Leute tatsächlich eine größere Relevanz hätte, würde es sicherlich häufiger angesprochen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB