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Sebastian Edathy
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Frage von Torsten W. •

Frage an Sebastian Edathy von Torsten W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

in Ihrer Funktion als Vorsitzender des Innenausschusses möchte ich Ihnen eine Frage zur BKA-Novelle stellen.
Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage [1] haben sage und schreibe 71% aller Deutschen Angst vor der geplanten Computerbespitzelung. Können Sie es wirklich verantworten, dass fast drei Viertel aller Menschen in Deutschland Angst vor Dingen haben, die Sie beschließen? Halten Sie da die menschlichen Freiheiten noch für geschützt?
George Orwell hat in seinem Roman 1984 bereits vor gut 60 Jahren skizziert, dass die Bedrohung des Überwachungsstaates nicht er selbst, sondern die Angst vor ihm ist. Jemand, der ständig fürchtet, überwacht zu werden, kann sein Leben nicht in Freiheit gestalten. Wie sollen in einer solchen Welt Demokratie und Menschenwürde funktionieren? Vielleicht machen Sie sich darüber erstmal Gedanken, statt die Bürger durch Ihre Angstpolitik einzuschüchtern.

Torsten Wagner

[1] http://www.gulli.com/news/umfrage-71-der-deutschen-f-2008-07-25/

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wagner,

vielen Dank für Ihre Fragen vom 25. Juli 2008 zur anstehenden Novelle
des BKA-Gesetzes und insbesondere zur sogenannten Online-Durchsuchung.

Dass mir von Ihnen unterstellt wird, "Bürger durch ... Angstpolitik einzuschüchtern", halte ich für ein starkes Stück. Vielleicht sollten Sie sich über meine politische Arbeit kundig machen, statt solchen Unsinn zu schreiben.

Konkret zur Online-Durchsuchung (zu der ich mich auf diesem Forum übrigens bereits mehrfach geäußert habe):

Weder der „Normalbürger“ noch ein „Kleinkrimineller“ wird in die Lage geraten, dass sein Computer von einer Online-Durchsuchung betroffen ist. Wie nachfolgend dargelegt, sind für die Vornahme der Online-Durchsuchung sehr hohe Voraussetzungen geplant - analog zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Thematik -, so dass es sich in der Praxis lediglich um sehr vereinzelte Fälle handeln wird, in denen die Maßnahme durchgeführt wird.

Die Bundesregierung hat am 4. Juni 2008 den „Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“ beschlossen. Wie Sie vermutlich den Medien entnommen haben, sieht die SPD-Bundestagsfraktion hier noch einigen Änderungsbedarf und hat deshalb einen umfangreichen Fragenkatalog erstellt, der die strittigen Punkte enthält, die es im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zu klären gilt. Dazu gehören in Bezug auf die Online-Durchsuchung u.a. Fragen zur Kontrolle des Kernbereichsschutzes sowie zu Eilfall-, Befristungs- und Evaluierungsregelungen. Dennoch habe ich im Hinblick auf die Online-Durchsuchung keinen Zweifel, dass der Gesetzesentwurf bereits im Kern den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 27. Februar 2008 entspricht.

Die Vornahme einer Online-Durchsuchung soll an klar geregelte Voraussetzungen geknüpft werden. Da sie intensiv in die Grundrechte Betroffener eingreift, sind hohe Hürden vorgesehen. So ist die Online-Durchsuchung nur zum Schutz überragender Rechtsgüter, wie etwa zum Schutz des Lebens einer Person, sowie beim Vorliegen einer konkreten terroristischen Gefahr zulässig. Zudem darf sie sich nur gegen die für die Gefahr Verantwortlichen richten. Bereits durch diese materiellen Voraussetzungen ist sichergestellt, dass eine solche Maßnahme nur in wenigen, aber sehr gewichtigen Fällen zum Einsatz kommen kann. Eine solche Maßnahme darf zudem grundsätzlich nur durch einen Richter angeordnet werden. Durch die richterliche Kontrolle sowie die Pflicht zur nachträglichen Benachrichtigung des Betroffenen wird ein effektiver Grundrechtsschutz gewährleistet.

Bestehen im Anschluss an die Durchführung einer sogenannten Online-Durchsuchung Zweifel, ob erhobene Daten dem Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung zuzurechnen und damit zu löschen sind, sind diese dem anordnenden Gericht vorzulegen. Die Verwendung von Informationen aus dem Kernbereich privater Lebenssphäre ist grundsätzlich verfassungswidrig und nicht gestattet. Klärungsbedürftig ist hingegen noch, wer die erste Überprüfung der Daten vornimmt. Ich habe aber keine Zweifel daran, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion mit ihrer Forderung nach einer neutralen Kontrollinstanz durchsetzen wird. Eine behördeninterne Überwachung, wie sie der Gesetzesentwurf derzeit vorsieht, ist nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion mit der Bedeutung des Kernbereichsschutzes nicht vereinbar.

Am 15. September 2008 wird der Innenausschuss des Deutschen Bundestages unter meiner Leitung eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchführen. Dabei wird Gelegenheit sein, die Frage einer sachgerechten und praxistauglichen Kernbereichskontrolle intensiv zu erörtern.

In der Bevölkerung vorhandene Befürchtungen sind selbstverständlich ernst zu nehmen, ich halte diese aber im konkreten Fall für im wesentlichen unbegründet. Im übrigen haben auch 20 Prozent der Bevölkerung Flugangst. Zugleich sind Flugzeuge objektiv das sicherste Verkehrsmittel.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB