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Sebastian Edathy
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Frage von Stefan W. •

Frage an Sebastian Edathy von Stefan W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

in den letzten Tagen konnte ich auf n-tv (oder n-24) mehrere Bundestagsdebatten verfolgen und musste feststellen, dass dort lediglich wenige Fachbereichsabgeordnete anwesend waren, die wohl speziell mit den dort erörterten Themen direkt zu tun haben.
Wäre es im Sinne der Wähler (Stichwort Politikverdrossenheit) nicht sinnvoller, dass die Abgeordneten bei jeder Bundestagssitzung möglichst vollzählig erscheinen, denn auch wenn ihr Arbeitsbereich evtl. nicht direkt von der Thematik tangiert wird, indirekt betroffen ist doch mit Sicherheit jeder (Abstimmung der Fraktion). Und ein Zuschauer einer Sitzungsübertragung bekommt den Eindruck, dass "die Politiker" zumindestens am Geschehen teilnehmen. In meinen Augen sollte jede Bundestagssitzung ein Pflichttermin eines jeden Politikers sein. (Wichtiger wäre sonst nur ein Arzttermin oder eine staatsrepräsentierende Tätigkeit). Für mich waren die leeren Ränge doch eine echte Entäuschung. Unwichtig konnten die Debatten ja nicht sein, sonst wären sie ja nicht unbedingt ins Fernsehen übertragen worden...
Wie stehen Sie dazu?

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Antwort von
SPD

Rehburg, den 06.07.2008

Sehr geehrter Herr Wolnik,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 27.06.2008.

Es ist zutreffend, dass die von Ihnen angesprochene fehlende Präsenz aller Abgeordneten im Plenum des Bundestages während dort stattfindender Debatten von einigen Bürgern als Zeichen mangelnden Einsatzes gedeutet wird. Diese Deutung ist jedoch falsch.

Zugespitzt formuliert: Ein Bundestagsabgeordneter, der durchgehend bei allen Debatten im Plenarsaal anwesend ist, hat offenkundig nicht genug zu tun.

Der Bundestag hat im Jahr ca. 22 sogenannte Sitzungswochen. Die Plenarsitzungen finden in dieser Zeit ab Mittwochmittag bis Freitagnachmittag statt.

Ein Großteil der Arbeit der Abgeordneten wird aber nicht im Plenum, sondern in den Arbeitsgruppen der jeweiligen Fraktionen bzw. in den Ausschüssen des Bundestages geleistet. Dort werden Gesetzentwürfe diskutiert und intensiv beraten. Alle Fraktionen sind, abhängig von ihrer Stärke im Parlament, in den Ausschüssen vertreten. In der Geschäftsordnung des Bundestages werden die ständigen Ausschüsse als „vorbereitende Beschlussorgane des Bundestages“ bezeichnet. Bereits diese kurze Definition lässt die besondere Bedeutung der Ausschüsse für die parlamentarische Arbeit erkennen. In den Ausschüssen werden die Gesetzentwürfe des jeweiligen politischen Bereichs erörtert, diskutiert und so weit überarbeitet, dass am Ende eine Beschlussempfehlung für das Plenum durch die Ausschüsse verabschiedet wird. Nach Abschluss der Ausschussarbeit wird innerhalb der Fraktionen, nach weiterer Diskussion, entschieden, ob das neue Gesetz im Plenum angenommen oder abgelehnt wird. Hier findet also bereits, außer in den Fällen einer Gewissensentscheidung, die Entscheidung über das Abstimmungsverhalten statt.

Die Debaten im Plenum dienen insbesondere dazu, die Öffentlichkeit über die unterschiedlichen Positionen der Fraktionen zu informieren. Zur Informierung der Öffentlichkeit erfolgt auch die Fernsehübertragung einer Vielzahl der Bundestagsdebatten.

Die interne Willensbildung hingen ist in den allermeisten Fällen bereits zuvor erfolgt. Daher finden sich Abgeordnete vorrangig zu den Themen im Plenum ein, in denen sie auch fachpolitisch involviert sind, bzw. die in besonderem Maße ihre Wahlkreise betreffen.

Ein weiterer Grund für die teilweise Abwesenheit im Plenum ist die Vielzahl von anderen Aufgaben, die ein Abgeordneter zu erfüllen hat. Denn neben den Plenarsitzungen und der Ausschussarbeit nehmen die Abgeordneten des Deutschen Bundestags unter anderem an Koordinierungsbesprechungen innerhalb und außerhalb ihrer Fraktionen teil, führen zahlreiche Gespräche mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen und treffen Besuchergruppen aus den Wahlkreisen. Daher ballen sich die Termine in den Sitzungswochen extrem.

Die bereits bei derzeitiger Praxis sehr hohe Arbeitsbelastung der Mitglieder des Bundestages ließe sich kaum vereinbaren mit einer – von Ihnen geforderten – ständigen Präsenzpflicht im Plenum. Aus vorgenannten Gründen sehe ich hierfür auch keine Notwendigkeit.

Ich selbst verfahre wie folgt: Sobald die Tagesordnung einer Sitzungswoche vorliegt (in der Regel ein bis zwei Wochen vorher), notiere ich mir die Zeiten der Debatten, die den von mir geleiteten Innenausschuss oder Belange des Wahlkreises betreffen. Bei diesen Debatten bin ich als Zuhörer oder Redner im Plenum dabei. Bei Tagesordnungspunkten, die nicht von zentraler Bedeutung für meine Arbeit aber interessant sind (darüber, wie letztlich abgestimmt wird, erfahre ich meistens Dienstagnachmittags während der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion), verfolge ich die Debatten oft in meinem Büro über eine interne Fernseh-Übertragung und sehe zum Beispiel zeitgleich Briefentwürfe durch. Bei weiteren Debatten lese ich gelegentlich das Protokoll nach oder informiere mich über wesentliche Inhalte durch entsprechende Unterlagen und Vermerke.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB