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Sebastian Edathy
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Frage von Petra B. •

Frage an Sebastian Edathy von Petra B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Edathy,

ich lese mit Verwunderung im ZEIT Dossier, dass bei Gerichtsprozessen gegen rechte Gewalttäter die vollen Adressen der Zeuginnen und Zeugen verlesen werden. Den Anwesenden Neo-Nazis wird damit die Möglichkeit gegeben durch bedrohliches Verhalten (starre Blicke, feixendes Lachen etc.) die Aussagen zu beeinflussen. Ich kann die Zeuginnen und Zeugen sehr gut verstehen, die angesichts der bereits verübten Gewalttat die Drohkulisse Ernst nehmen und sich nicht mehr genau erinnern wollen oder können.
Die Strafprozessordnung muss solche Zeugenaussagen schützen. Warum reicht es nicht, dass Name und Adresse der Zeugen dem Gerichts bekannt sind? Kann man die Zeuginnen und Zeugen besser schützen und zum Beispiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragen?
Was tun sie als gegen Rechtsextremisten engagierter Politiker, um die Gerichtsverfahren in diesem Punkt besser zu machen?

Mit freundlichen Grüßen
Petra Berndorf.

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Antwort von
SPD

Berlin, den 22.05.2008

Sehr geehrte Frau Berndorf,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 18.05.2008 zum Thema Zeugenschutz bei Gerichtsverfahren gegen Rechtsextremisten.

Es gibt leider in der Tat Fälle, in denen Zeugen vor, während oder nach strafrechtlichen Verfahren gegen Rechtsextremisten massiv unter Druck gesetzt wurden. Ich teile daher Ihre Auffassung, dass die Rechtsordnung einen größtmöglichen Zeugenschutz gewährleisten muss. Allerdings garantiert unser Rechtssystem – unabhängig von der Schwere und dem Hintergrund der Tat - aus guten Gründen auch dem Angeklagten Rechte.

So sieht die Strafprozessordnung (StPO) in ihrem § 200 vor, dass die Beweismittel der Staatsanwaltschaft, wozu auch die Zeugen zählen, in der Anklageschrift anzugeben sind. Dies hat den Grund, dass einerseits das jeweilige Strafgericht die Zeugenladungen vornimmt und andererseits wegen des Grundsatzes des fairen Verfahrens (fair trial) eine effektive Verteidigung des Angeklagten gewährleistet sein muss. Es ist allerdings weder zwingend, in der Anklageschrift die Wohnanschriften von Zeugen aufzuführen noch diese in der Verhandlung vorzutragen.

Diese Ansicht wird meiner Kenntnis nach vermehrt auch von den Strafverfolgungsbehörden übernommen. So ist es beispielsweise bei der Staatsanwaltschaft Berlin sogar vielfach Praxis, dass die Adressen der Zeugen auch nicht mehr in die Anklageschrift aufgenommen werden. Das Gericht nimmt die Ladungen dann anhand der Adresseintragungen in der Ermittlungsakte vor. Diese Akte sieht der Angeklagte nicht; allenfalls hat sein Verteidiger ein Einsichtnahmerecht. In anderen Fällen hat die Staatsanwaltschaft bei der Ausfertigung der Anklageschrift für den Angeklagten die Adressen der Zeugen geschwärzt, so dass das gleiche Ergebnis erzielt wurde.

Ich befürworte eine solche Praxis der Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB