Frage an Sebastian Edathy von Sebastian G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Edathy,
ich möchte zu ein paar Punkten Ihrer Antwort vom 16.5. Stellung nehmen:
zu 1.: Ich persönlich finde es prima, dass Sie sich Fragen und Sorgen von Bürgern stellen. Herrn Friedrich von Ihrer Partei war es beispielsweise nicht möglich seinen Standpunkt auf einer Podiumsdiskussion zum diesem Thema zu vertreten und auch andere Institutionen sind schwer für direkte Stellungnahmen zu finden.
zu 2. Die Staatsformem zu vergleichen ist absurd, da stimme ich Ihnen zu. Dennoch sind viele der Werkzeuge der Ermittlungsbehörden beider Strukturen inzwischen ähnlich gestrickt.
zu 3. Hier muss ich Ihnen wiedersprechen. Sowohl die Medien als auch Parlamente und Gremien scheinen offensichtlich zu versagen. Oder wie erklären Sie sich dass Frau Harms mehrfach für Ihr Vorgehen vom BGH gerügt wurde ohne dass es in irgendeinerweise für den Bürger sichtbare Konsequenzen gegeben hätte?
zu 4. Wie bereits in meiner Frage vom 3.5. dargestellt ergeben gerade einmal 3% der Verfahren unter welche auch Herr Holm fiel eine Anklage. Wie verträgt sich dies mit Ihrer Aussage dass es sich um einen "Einzelfall" handelt?
Ich gebe Ihnen Recht dass der Staat die Pflicht hat, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. In einer Studie des BKA wurde klar dass im besten Fall 2% mehr Straftaten im besten Fall aufgedeckt werden würden. Ebenso wären sämtliche bisherigen Terroranschläge nicht dadruch verhinderbar gewesen.
Daher stelle ich folgende Frage:
Rechtfertigen diese Fakten den Verlust der Unschuldsvermutung durch die verdachtsunabhängige Speicherung eines Kommunikationsprofils?
viele Grüsse
Sebastian Graf
Sehr geehrter Herr Graf,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 17. Mai 2008.
Ich habe in diesem Forum bereits mehrfach zu den Themen Unschuldsvermutung, Vorratsdatenspeicherung und Praxis der Strafverfolgungsbehörden Stellung genommen. Zur Vermeidung von Doppelungen verweise ich daher auf meine vorherigen Antworten.
Zur Klarstellung aber noch einmal: Die Unschuldsvermutung stellt einen Grundpfeiler des rechtsstaatlichen Strafverfahrens dar. Nach dieser gilt jeder einer Straftat Verdächtigte während der gesamten Dauer des Ermittlungs- und Strafverfahrens als unschuldig, bis seine Schuld rechtskräftig festgestellt wurde, weiterhin muss nicht der Verdächtige seine Unschuld beweisen, sondern die Strafverfolgungsbehörde die Schuld.
Die Unschuldsvermutung hat in der Bundesrepublik als Teil des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes Verfassungsrang und ist zudem durch Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention einfachgesetzlich verankert.
Wie kommen Sie darauf, dass die Unschuldsvermutung in der Bundesrepublik verloren geht? Dadurch, dass die Telekommunikationsdienstleister verpflichtet wurden, gewisse Daten über einen längeren Zeitraum als bisher zu speichern? Wohlgemerkt: Nicht die staatlichen Behörden speichern diese Daten! Und die staatlichen Behörden können diese auch nicht grundlos anfordern!
Abschließend zu diesem Thema möchte ich noch anmerken, dass, wenn die Generalbundesanwältin Harms eine Rüge des Bundesgerichtshofs erhält, sie mit Sicherheit ihre Strafverfolgungspraxis überdenken wird. Die Staatsanwaltschaften sind ebenso wie alle staatlichen Institutionen verfassungsrechtlich an Recht und Gesetz gebunden.
Dass die Rüge der Generalbundesanwältin allerdings keine „sichtbaren Konsequenzen“ für den Bürger hatte, verwundert mich nicht. Immerhin ist die Generalstaatsanwaltschaft mit der Verfolgung besonders schwerwiegender Straftaten befasst. Davon ist "der Bürger" üblicherweise nicht betroffen.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB