Frage an Sebastian Edathy von Hans-Jürgen K. bezüglich Wirtschaft
Die Frage, die sich mir als Ruheständler stelle ist: Wird eine radikal durchgeführte Steuerreform mit einhergehender Steuersenkung und Mehrwertsteueranhebung das von Union und FDP geforderte Wirtschaftswachstum zur Sicherung Sozialsysteme erzeugen oder gehen die alten Sozialsysteme dabei kaputt. Wäre es zunächst nicht besser die Sozialsysteme zunächst einmal zu entrümpeln um sie so wieder auf eigene Beine, d.h. auf ein lupenreines Versicherungsprinzip zu stellen?
Grundsätzlich gilt doch, Renten sind beitrags- und lohnbezogen. Das heisst, nur derjenige erwirbt Rentenansprüche, der auch Beiträge zahlt bzw.gezahlt hat. Die Rentehöhe richtet sich dabei nach der Höhe der gezahlten Beiträge.
Dieses Prinzip wurde jedoch m.E. in den Vergangenen Jahrzehnten immer mehr verwässert. Deshalb sollte nach meinem dafürhalten das Versicherungsprinzip wieder in den Vordergrund gestellt werden, d.h., Leistungen dürfen nur jene bekommen, die auch Beiträge entrichtet haben. Nicht beitragsgedeckte Leistungen wie z. B. Renten für Aussiedler oder Ruheständler aus Ostdeutschland sollten steuerfinanziert werden.
Würden die nicht gedeckten Leistungen der Rentenversicherungen nicht als Sozialabgaben, sondern durch Steuern finanziert, liessen sich die Beiträge nach Berechnungen des ´Wirtschaftsweisen´ Bofinger von der Uni Würzburg von derzeit 19,5% um fast zwei Punkte reduzieren.
Der Sozialexperte Schmähl von der Uni Bremen geht sogar noch einen Schritt weiter und meint: Würde die ´Fehlfinanzierung´ in allen Sozialversicherungszweigen beendet, könnten die Sozialbeiträge sogar um 8%- Punkte gesenkt werden.
Steuervereinfachungen sind zwar gut, nur nicht gerade in Verbindung mit einer Steuersenkung. Steuersenkungen sind für mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht das Mittel Wachstumsimpulse zu erzeugen. Wichtiger und wachstumsdienlicher ist vielmehr, die Sozialsysteme in den Griff zu bekommen.
Die Sozialversicherungen haben zur Zeit nämlich kein demografisches sondern nur ein konjunkturelles Problem. Die lang anhaltenden hohe Arbeitslosigkeit, der Rückgang der der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und die Ausweitung der beitragsfreien Entgeldumwandlung sind verantwortlich für die hohen Lohnnebenkosten und setzen ausserdem die Sozialversicherungen unter Druck.
Jeder Ruheständler, ob als Pensionär oder ´nur Rentner´ sollte sich vor der Wahl die Frage stellen, ob die Ansätze der Parteien zur Sanierung der Finanzen, Sozialsysteme und gleichzeitigen Wachstumsförderung die richtigen sind.
Wie stehen Sie zu dieser Ansicht?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Kleinwächter
Sehr geehrter Herr Kleinwächter,
vielen Dank für Ihre Frage.
In vielen Punkten bin ich mit Ihnen einer Meinung. So stimme ich beispielsweise mit Ihnen darin überein, dass eine Mehrwertsteueranhebung in höchstem Maße wachstumsfeindlich wäre. Eine Mehrwertsteuererhöhung würde angesichts der derzeit schwachen Binnennachfrage in die falsche Richtung weisen und die sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung gefährden. Nicht nur wäre ein Abflauen der Binnenkonjunktur zu erwarten, sondern gerade auch Selbständige und Handwerksbetriebe würden durch die Anhebung der Mehrwertsteuer stark belastet. Ebenso bin ich wie Sie auch der Meinung, dass für eine weitere Senkung der Einkommenssteuern gegenwärtig kein Spielraum besteht. Einen armen Staat können sich nur Wohlhabende leisten. Wir haben bei der staatlichen Finanzkraft das das untere Ende der Einnahmen erreicht.
Sicherlich – auch in diesem Punkt gebe ich Ihnen Recht – wurde durch die Einbeziehung von Ruheständlern aus der ehemaligen DDR sowie von Spätaussiedlern in das Leistungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung ein erheblicher Druck auf die sozialen Sicherungssysteme (vor allem die staatliche Rentenversicherung) ausgeübt. Diese Kosten der deutschen Einheit über das Sozialversicherungssystem abzuwickeln, war eine Entscheidung der Regierung Kohl, die man sehr wohl hinterfragen kann. Gleichzeitig bin ich aber nicht der Meinung, dass heute eine (Wieder-)Ausgliederung dieser Personengruppen aus der gesetzlichen Renten- oder Krankenversicherung möglich oder sinnvoll wäre.
Die SPD hat andere Konzeptionen entwickelt, um unsere sozialen Sicherungssysteme zukunftssicher zu machen:
Die gesetzliche Rentenversicherung ist und bleibt die wichtigste Säule der Altersversicherung. Sie ist Ausdruck des solidarischen Zusammenlebens der Generationen. Ihre solidarische Finanzierung sicher zu stellen, ist Ziel sozialdemokratischer Politik in Deutschland. Richtschnur unserer Reformen ist die Generationengerechtigkeit. Die Jüngeren und Aktiven dürfen nicht durch zu hohe Beiträge überfordert werden. Sie brauchen Spielraum für eigene ergänzende Altersvorsorge. Die Älteren müssen auf die Verlässlichkeit der gesetzlichen Rente vertrauen können.
Aus diesem Grunde wurde der steuerfinanzierte Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung so erhöht, dass die sogenannten "beitragsfremden" Leistungen eben nicht mehr aus Mitteln der Beitragszahler erbracht werden.
Mit den Rentenreformen der vergangenen sieben Jahre wurden zahlreiche sinnvolle Maßnahmen ergriffen: Mit der so genannten Riester-Rente wurde erstmals neben der im Umlageverfahren finanzierten Rente eine staatlich bezuschusste kapitalgedeckte Altersvorsorge eingeführt. Die betriebliche und private Altersvorsorge wollen wir weiter stärken, um eine bessere Versorgung im Alter zu erreichen. Mit einer neuen Rentenformel und der Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors wird seit 2005 den langfristigen demographischen und ökonomischen Entwicklungen Rechnung getragen und für gerechte Beiträge aller Generationen gesorgt. Diese Reformen halten die Rentenbeiträge stabil und sorgen für dauerhafte Verlässlichkeit und Sicherheit im Alter
Auch auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung sind wir nicht untätig gewesen. Und wir haben noch einiges vor: Zentraler Punkt ist die Weiterentwicklung der Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung.
Dabei sollen die folgenden Grundsätze gelten:
Jeder muss versichert sein. Auch Gutverdienende, Beamte und Selbständige werden in die solidarische Krankenversicherung einbezogen.
Jede Kasse muss jeden und jede ohne Ansehen des Risikos versichern. Niemand wird ausgegrenzt. Und es bleibt beim heutigen gesetzlichen Leistungskatalog.
Jeder zahlt entsprechend seiner Leistungsfähigkeit. Die Beiträge zur Bürgerversicherung richten sich wie bisher nach dem Einkommen – bei Löhnen, Gehältern und Renten. An ihrer paritätischen Finanzierung halten wir fest. Die Beitragsbemessungsgrenze bleibt bestehen, die Versicherungspflichtgrenze fällt. Zukünftig werden auch Kapitalerträge zur Finanzierung herangezogen. Freibeträge schonen Durchschnittsersparnisse. Mieten und Pachten bleiben beitragsfrei.
Sehr geehrter Herr Kleinwächter, ich hoffe, hiermit konnte Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenstellung beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy
Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Nienburg II - Schaumburg