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Frage von Karstn N. •

Frage an Sebastian Edathy von Karstn N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

ich beziehe mich auf Ihre Antwort vom 16.04. an Hr. Thiele zum Thema der Artikelserie "Angriff auf das Briefgeheimnis". Sie sehen in der derzeitigen Datenübermittlung kein Problem.

Dem kann ich nicht zustimmen. Gemäß Artikel 17 der UN-Menschenrechtsresolution, Artikel 10 Grundgesetz u.a. Normen ist das Post- und Fernmeldegeheimnis ein Grundrecht.

Die Urteile des BVerfG sind Ihnen sicher bekannt, z.B. 2 BvR 2099/04 vom März 2006 oder die Eilentscheidung zur VDS. Auch die Teilnehmer sowie Art und Umstand der Kommunikation unterliegen dem Schutz des GG.

Widerspruch zu den Datenschutz-Bestimmungen: Ein Transfer persönlicher Daten in Drittländer ist nur zulässig, wenn diese über vergleichbaren Datenschutz verfügen. Das Datenschutzrecht in den USA ist jedoch nur schwach ausgeprägt und gilt ausdrücklich nicht für Ausländer.

Für die Schutzwürdigkeit der Daten ist es unerheblich, ob der Dienstleister die Angaben digitalisiert erfasst, um den Service zu gewährleisten.

Meine Frage: Gibt es Bemühungen im Deutschen Bundestag oder von der Regierung, das Handelsabkommen auszusetzen und zu rechtsstaatlichen Prinzipien zurückzukehren?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Nes,

vielen Dank für Ihre Frage vom 17. April 2008, in der Sie sich auf meine Antwort an Herrn Thiele vom 16. April 2008 beziehen.

Ich hatte Herrn Thiele geschrieben, dass „der eigentliche Sachverhalt (die Datenschutzproblematik im Zusammenhang mit der Übermittlung von Informationen im Rahmen des Postverkehrs in die USA) (..) gegenwärtig undramatisch“ sei. Dies führe ich gern näher aus.

Ich stimme mit Ihnen überein, dass Angaben, die für die Annahme, den Transport und die Auslieferung einzelner Postsendungen erhoben werden, unter dem grundrechtlichen Schutz des Brief- und Postgeheimnisses nach Art. 10 Grundgesetz (GG) stehen. Das Postgeheimnis umfasst sämtliche Postsendungen unabhängig von ihrer Sendungsform und verbietet die Nutzung von Sendungsinformationen für andere Zwecke als jene der Beförderung, es sei denn, dies ist nach nationalem Recht oder internationalen Abkommen zulässig.

Weiterhin werden diese Angaben, soweit es sich dabei um Daten natürlicher Personen handelt, durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützt.

Hinsichtlich der Übermittlung von Informationen im Rahmen des Postverkehrs in die USA ist zu differenzieren:

1) Die Postbetreiber erheben für normale Briefsendungen keine speziellen Daten. Es werden lediglich Angaben wie Stückzahl und Gewicht erfasst und übermittelt. Diese Angaben bilden die Basis für die spätere Abrechnung. Daher können bei normalen Briefen gar keine Verkehrsdaten übermittelt werden. (!)

2) Für Sendungen mit Wareninhalt im Rahmen der Bestimmungen des Weltpostvertrages (WPV) werden nur die erforderlichen Zolldokumente gemäß WPV verwendet. Dies erfolgt unabhängig von der Wahl des postalischen Produktes. Die Zolldokumente werden vom Kunden ausgefüllt. Absender, Empfänger und Angaben zum Sendungsinhalt befinden sich mittels Papier auf bzw. bei der Sendung. Die Dokumente bilden die Grundlage für die Verzollung der Waren im Bestimmungsland. Eine Vorabübermittlung findet bei diesen Sendungen nicht statt.

3) Nur Expresssendungen, die nicht vom Weltpostvertrag erfasst sind, werden anders behandelt. Die versendende Firma übermittelt die für die zollrechtliche Abwicklung erforderlichen Daten teilweise vorab elektronisch an den Expressdienstleister. Abhängig vom Transportweg (z. B. Luft- oder Seeweg) werden die Daten innerhalb einer bestimmten Frist, die sich aus dem US-amerikanischen „Trade Act of 2002“ ergibt (beim Luftverkehr 4 Stunden vor Landung und beim Seeverkehr 24 Stunden vor Verladung am Abgangshafen), elektronisch an das Partnerunternehmen (z. B. DHL Deutschland an DHL USA) in den USA übermittelt. Dieses leitet die Daten über das Automated Manifest System (AMS) an die amerikanischen Zollbehörden weiter.

Die USA setzen die Bestimmungen des „Trade Act of 2002“ aus praktischen Gründen stufenweise um. So wurde eine elektronische Vorabmeldepflicht zunächst nur für Sendungen eingeführt, die nicht unter den Weltpostvertrag fallen. Bei Sendungen, die unter diesen Vertrag fallen, müsste zunächst eine multilaterale Vereinbarung im Weltpostverein herbeigeführt werden. Offenbar strebte die US-Seite die Ausdehnung der Datenerfassung auf alle Postsendungen (also auch ohne Wareninhalt) an. Ein entsprechender Vorstoß in einem Ausschuss des Weltpostvereins blieb jedoch erfolglos, was ich begrüße.

Die Übermittlung von Daten bei internationalen Warensendungen, die nach den einschlägigen Einfuhr- und Zollbestimmungen gemäß der gesetzlichen Bestimmungen des Empfängerlandes gefordert wird, ist allerdings zulässig und unvermeidbar, wenn der Postverkehr mit dem entsprechenden Land aufrechterhalten werden soll. Die USA können, wie jedes andere Land auch, im Rahmen der eigenen nationalen Gesetzgebung weitergehende Regelungen treffen.

Der amerikanische „Trade Act of 2002“ sieht grundsätzlich auch die Erfassung von Daten aus dem reinen Briefverkehr vor, also auch bei Briefen ohne Wareninhalt. Diese Regelung findet bislang aber keine Anwendung. Durch ein amerikanisches Ergänzungsgesetz (auf das die Bundesrepublik Deutschland keine Einfluss hätte) wäre indes jederzeit eine Einbeziehung möglich. Ich würde dies aber für ungut halten, ein solches Verfahren würde zudem zu Recht auf öffentliche Kritik stoßen.

Fazit: Die gegenwärtige Praxis ist eher unproblematisch, dies sieht auch der Bundesdatenschutzbeauftragte so, besondere Datenerhebungen finden bislang nur bei einem Teil des Express-Verkehrs statt.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB