Frage an Sebastian Edathy von Jens T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Edethy,
kontaktieren Sie regelmäßig Chefredaktionen, wenn Journalisten Artikel veröffentlichen, die Ihnen mißfallen?
ist das eine übliche Vorgehensweise oder haben Sie einfach nur zur Chefredaktion der ZEIT online engere Kontakte?
Bitte verstehen Sie diese Fragen nicht falsch, nachdem ich einen Artikel [1] auf Telepolis gelesen habe, interessiert mich einfach nur Ihre Sichtweise.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Thiele,
bezüglich Ihrer Frage vom 15. April lautet meine Antwort: Nein, selbstverständlich nicht!
Ich halte die Pressefreiheit und die Freiheit, eine eigene Meinung zu haben und diese öffentlich zum Ausdruck zu bringen, für ein überaus hohes Gut.
Wenn Journalisten (das ist keine geschützte Berufsbezeichnung, ich könnte mich also auch selbst als Journalisten bezeichnen und Dritten gegenüber als solcher ausgeben) allerdings unredlich arbeiten, darf dies selbstverständlich kritisiert werden, und genau das habe ich getan und stehe ausdrücklich dazu.
Der konkrete Sachverhalt, aufgrund dessen Sie sich möglicherweise eine eigenes Bild machen können, ist Folgender:
Eine Frau Härpfer schrieb mir am 26.01.2008 eine Email, in der sie wörtlich ausführte: "Sehr geehrter Herr Edathy, im Auftrag von ZEIT (Anm.: die Majuskeln stammen nicht von mir) online hätte ich gerne eine Stellungnahme (...) zum Thema Postdatenübermittlung an die USA für ein drittes follow up meiner bisherigen Berichterstattung. (...)"
Ihre bisherigen Berichte für "Zeit Online" fügte Frau Härpfer gleich bei.
Statt auf "Zeit Online" veröffentlichte Frau Härpfer nach einem Telefonat mit mir anschließend andernorts (www.telepolis.de) einen Text auf der Grundlage dieses Kontaktes - und das in durchweg tendenziöser Weise ("will er dennoch partout nicht bemerken", "wiegelt er im Gespräch ab", "redet Edathy das Problem herunter", "will das nicht wahrhaben", "versucht er das Datenschutzdebakel herunter zu reden") und mit so nicht gefallenen, verzerrten Zitaten.
Frau Härpfer hatte mich weder darüber informiert, dass sie nicht allein für "Zeit Online" arbeitet noch darüber, dass sie auf der Grundlage des Telefonates mit mir in einem anderen Medium zu publizieren gedenkt. Frau Härpfer hat mich nicht einmal darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie als sog. freie Journalistin arbeitet, und das war auch nicht erkennbar. Darauf hinzuweisen, was unterblieben ist, ist aber eine Selbstverständlichkeit im alltäglichen Kontakt zwischen Medien und Politik.
Ich habe mich noch nie bei der Chefredaktion eines Mediums beschwert, in dem nach einem Gespräch mit mir, das für dieses Medium geführt wurde, ein Beitrag veröffentlicht wurde, der mir nicht gefallen hat. Dies ist auch hier nicht der Fall. Ich habe mich bei der Chefredaktion eines Mediums beschwert, in dem ein solcher Beitrag eben nicht erschienen ist - in dessen Auftrag aber das Gespräch stattfand, das anschließend für eine tendenziöse und verzerrende Pseudo-Berichterstattung in einem anderen Medium Verwendung fand, unter Missachtung der Standards und der Seriosität des anfragenden Mediums.
Einen solchen Vorgang habe ich übrigens in den knapp zehn Jahren meiner Bundestagsmitgliedschaft zuvor noch nie erlebt.
Wenn ich zum Beispiel mit einem Mitarbeiter des "Spiegel" spreche, der sich als solcher ausgibt, gehe ich auch davon aus, dass der entsprechende Text des Mitarbeiters nicht stattdessen in der "Superillu" erscheint, mir der "Spiegel" anschließend auf Nachfrage mitteilt, der Text habe inhaltlich nichts hergegeben, wäre so nie im "Spiegel" erschienen und der entsprechende Mitarbeiter habe nicht nur mir, sondern auch dem "Spiegel" nichts über seine "Superillu"-Veröffentlichungsabsicht mitgeteilt.
Und genau das ist die Fallgestaltung, um die es hier geht. Im Kern geht es um die Frage, wie seriöser Journalismus gestaltet wird. So jedenfalls ganz bestimmt nicht! Und das zu kritisieren, ist nicht nur mein Recht, sondern auch völlig berechtigt. Problematisch ist nicht meine Kritik am Verhalten von Frau Härpfer, sondern das Verhalten von Frau Härpfer selbst.
Ich habe "Zeit Online" nachweisbar nicht aufgefordert, die Zusammenarbeit mit Frau Härpfer zu beenden. Ich habe darum gebeten, dass, wer für "Zeit Online" bei mir vorstellig wird, offen legt, möglicherweise nicht für "Zeit Online" zu arbeiten. So undramatisch ist der Sachverhalt, und die Tatsache, dass auf http://www.telepolis.de umfangreich aus meinem entsprechenden Schreiben an "Zeit Online" zitiert werden kann, liegt daran, dass ich Frau Härpfer dieses Schreiben gerne zur Verfügung gestellt habe, als sie sich an mich mit der unrichtigen Behauptung wandte, ich hätte darum ersucht, dass sie von "Zeit Online" keine Aufträge mehr erhalten möge.
Übrigens: Der eigentliche Sachverhalt (Datenschutzproblematik im Zusammenhang mit der Übermittlung von Informationen im Rahmen des Postverkehrs in die USA) ist zudem gegenwärtig undramatisch. So ist in dem aktuellen Text von http://www.telepolis.de, der meine Kritik an Frau Härpfer thematisiert, folgende Aussage schlichtweg falsch: "Am 22. Januar 2008 landete die freie Journalistin Susanne Härpfer einen kleinen Scoop: Sie deckte in ZEIT online unter der Überschrift ´Angriff auf das Briefgeheimnis´ auf, dass die Deutsche Post über alle Briefe und Pakete, die in die USA gehen, Daten an die amerikanische Zoll- und Grenzbehörde CBP (Customs and Border Protection) liefert."
Über Briefe werden keine Daten übermittelt, bezüglich von Paketen erfolgt die Datenübermittlung nur soweit, wie diese von den Absendern selbst auf dem Zoll-Aufkleber notiert worden sind. Das ist substanziell nichts, was eine neue Praxis darstellen würde oder im Widerspruch zu deutschen Datenschutz-Bestimmungen stünde. Dies hat der Bundesdatenschutzbeauftragte in einer Stellungnahme an den Innenausschuss des Deutschen Bundestages zwischenzeitlich bestätigt. Das Bestreben der USA, die Datenübermittlung perspektivisch auf den Briefpost-Verkehr auszuweiten, ist allerdings skeptisch zu sehen und aus meiner Sicht klar abzulehnen. Die Unterstellung, dies wäre bereits so, ist aber falsch. Ich vermute gar nicht mal Absicht. Ich vermute schlechte und schlampige Recherche. Und den Willen, etwas, das man unterstellt, aber nicht belegen kann, trotzdem zu behaupten, weil es dem eigenen Weltbild entspricht und zur Skandalisierung eines nicht skandalösen Sachverhaltes beitragen soll.
Solche Absichten und im Grunde unjournalistischen Motive - Meinungsmache statt Recherche - vermute ich freilich nicht, wenn mich jemand im Auftrag von "Zeit Online" kontaktiert.
Wenn aus dem Vorgang nunmehr gewissermaßen verschwörungstheoretisch abgeleitet wird, ein Bundestagsabgeordneter wolle sich einer unliebsamen Journalistin entledigen, so ist das Unfug. Erstens war das weder explizit noch implizit mein Anliegen, zweitens würde kein seriöses Medium ein solches Ansinnen aufgreifen, sondern es zurückweisen, als Angriff auf die Pressefreiheit bewerten und publik machen.
Wenn aber im Namen eines renommierten Mediums das Gespräch mit mir gesucht und dabei unter falscher Flagge gesegelt wird, muss ich das nicht kommentarlos hinnehmen. Das habe ich nicht. Und das werde ich auch künftig nicht. Wobei ich hoffe und überdies davon ausgehe, dass es sich um einen Einzelfall handelt.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB