Frage an Sebastian Edathy von Tim I. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Edathy!
Ich bin ein gesetzestreuer Bürger dieses Landes, der stets die zivilisatorischen Werte unserer Demokratie verteidigt hat, und ich bin ein Liebhaber und Sammler von frei erwerbbaren Waffen. Bitte hören Sie mich an.
Wie ich erfahren habe, beschäftigt sich der Innenausschuss derzeit mit einer weiteren Verschärfung des Waffengesetzes, die möglichweise auch ein weitreichendes Verbot von „Anscheinswaffen“ umfassen soll, das nicht nur das Führen, sondern auch Handel und Besitz verbieten soll.
Die Argumentation der Befürworter des Verbots lässt erkennen, dass ihr Vorstoß einer Sorge um die innere Sicherheit entspringt. Gerade aus dieser Sorge heraus, die ich ebenfalls teile, möchte ich Sie eindringlich bitten, NICHT für die geplante Verschärfung einzutreten. Ein solches Verbot wäre der Stabilität unserer Demokratie und somit der inneren Sicherheit meiner Einschätzung nach im Gegenteil abträglich, denn: Vertrauen basiert auf Gegenseitigkeit. Wenn die Regierenden ihrem Volk schrittweise das Vertrauen entziehen, indem sie immer restriktivere Gesetze erlassen, wird auch das Vertrauen der Bürger in unsere Demokratie und ihre Institutionen schwinden. Das Verbot von „Anscheinswaffen“ würde hauptsächlich Millionen gesetzestreuer Bürger wie mich treffen, die sich stets an die strengen Auflagen des deutschen Waffengesetzes gehalten haben und das Vertrauen dieser Menschen in den Sachverstand und das Augenmaß der Regierenden zutiefst erschüttern. Wollen Sie all diese Menschen tatsächlich nachträglich kriminalisieren und gegen unsere Demokratie aufbringen? Und das nur, damit einige wenige Kriminelle es in Zukunft ein wenig schwerer haben, an Waffen zu kommen, die auf den ersten Blick wie scharfe Feuerwaffen aussehen, es aber nicht sind?
Bitte, lassen Sie nicht zu, dass diese eklatante Unverhältnismäßigkeit der Mittel ein Gesetz wird und Millionen unbescholtener Bürger kriminalisiert und ihnen das verdiente Vertrauen entzieht.
Hochachtungsvoll,
Tim Ingold
Berlin, den 12.02.2008
Sehr geehrter Herr Ingold,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Reform des Waffenrechts vom 10. Februar 2008.
Zum Sachverhalt: Der „Gesetzesentwurf zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften“ vom 11. Januar 2008 (Bundestagsdrucksache 16/7717) wurde am 18. Januar 2008 im Deutschen Bundestag in erster Lesung behandelt und an den federführend zuständigen Innenausschuss überwiesen. Hier findet am 13. Januar 2008 unter meiner Leitung eine Öffentliche Anhörung von Sachverständigen statt.
Es handelt sich um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung.
Die von Ihnen thematisierte Einführung eines Verbots des Führens von Anscheinswaffen soll nach dem Vorschlag der Regierung der neu ins Waffengesetz einzuführende § 42a regeln. Dieser lautet in der Entwurfsfassung wie folgt: „Es ist verboten, Anscheinswaffen schuss- oder zugriffsbereit zu führen. Dies gilt nicht für die Verwendung bei Foto-, Film- oder Fernsehaufnahmen oder Theateraufführungen. Weitergehende Regelungen bleiben unberührt.“
Die neue Vorschrift soll das Führen von Anscheinswaffen in der Öffentlichkeit verbieten. Insbesondere von offen geführten Anscheinswaffen geht ein erhebliches Bedrohungspotential aus, das zu kriminellen Zwecken oder zur Begehung groben Unfugs genutzt werden kann. Anscheinswaffen werden wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Originalen immer wieder bei Überfällen und anderen Straftaten verwendet. Die Opfer dieser Straftaten haben kaum eine Möglichkeit, zwischen einer echten Waffe und einer Nachbildung zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass die Polizei unter Umständen täuschend echt wirkende Nachbildungen im Einsatz mit echten Schusswaffen verwechseln und in der Annahme einer vermeintlichen Notwehr- und Nothilfesituation mit verheerenden Folgen von der Dienstwaffe Gebrauch machen könnte. Da diese Gefahr auch von Anscheinswaffen ausgehen kann, die in einem Holster nur leicht verdeckt getragen werden, soll sowohl das offene als auch das verdeckte Führen untersagt werden. Zulässig soll es jedoch sein, eine erworbene Anscheinswaffe nach dem Erwerb in einem Behältnis nach Hause zu transportieren und in nicht-öffentlichen Bereichen auch zu führen.
Als Anscheinswaffen sollen laut Gesetz Nachbildungen von Kriegswaffen und Pumpguns gelten.
In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung hat der Bundesrat die Einschränkung des Anscheinswaffenbegriffs auf Anscheins-Kriegswaffen und Anscheins-Pumpguns kritisiert. Das Verbot solle sich nicht nur auf derartige Waffen beziehen, sondern auf jede Anscheinswaffe, die mit einer entsprechenden Originalwaffe zu verwechseln sei. Situationen, in denen die Polizei die täuschend echt wirkenden Nachbildungen mit echten Schusswaffen verwechseln könnte, entstünden eher durch Nachahmungen von erlaubnispflichtigen Kurzwaffen wie Pistolen oder Revolvern. In ihrer Gegenäußerung zu den Vorschlägen des Bundesrates erklärte die Bundesregierung, den Vorschlag prüfen zu wollen. Sie gab jedoch zu bedenken, dass eine Ausdehnung des Begriffs Anscheinswaffe auf nahezu alle Waffenimitate weit reichende Konsequenzen hätte. Der Handel mit zum Spiel bestimmten Waffenimitaten sei so praktisch kaum noch möglich. Aus meiner Sicht dürfte sich, folgte man dem Bundesrats-Vorschlag, konkret die Problematik einer Abgrenzung zwischen Anscheins- und Nicht-Anscheinswaffen ergeben. Ab wann ist eine Spielzeugpistole kein Spielzeug mehr, sondern eine Anscheinswaffe, wie definiert man die Grenze? Wollen wir Kindern allen Ernstes Cowboyspiele verbieten? Oder dürfen diese nur noch mit rot lackierten Spielzeugpistolen praktiziert werden?
Zu bedenken ist aber auf jeden Fall, dass das Waffengesetz derzeit überhaupt nicht für Spielzeugwaffen gilt - selbst dann nicht, wenn diese Spielzeuge echten Schusswaffen täuschend ähnlich sehen. Und ich möchte ausdrücklich nicht, dass es legal ist, mit einem Maschinengewehr-Imitat, das von einer echten Waffe nicht unmittelbar zu unterscheiden ist, durch eine Innenstadt zu laufen. Insofern neige ich gegenwärtig eher dem Vorschlag der Bundesregierung als dem des Bundesrates zu.
Vor einer abschließenden Bewertung der Anscheinswaffen-Frage will ich aber zunächst den Verlauf der Anhörung abwarten. Das gilt auch für andere Fragen im Zusammenhang mit dem Waffenrecht wie dem Vorschlag des Landes Berlin, bestimmte Messer zu verbieten, die potenziell auch im Freizeitbereich - etwa bei Anglern - legitimerweise zum Einsatz kommen. Ich bin zuversichtlich, dass am Ende der Beratungen mit Augenmaß und gutem Willen ein sinnvoller Konsens gefunden werden kann.
Ihre Aussage, Herr Ingold, dass ein Verbot von Anscheinswaffen „der Stabilität unserer Demokratie und somit der inneren Sicherheit (…) abträglich“ sei, halte ich für überzogen. Es geht bei dem Gesetzesentwurf nicht im geringsten darum, den gesetzestreuen Bürgerinnen und Bürgern das Vertrauen zu entziehen oder diese zu kriminalisieren. Vielmehr geht es darum, möglichen Gefahrenquellen, die sich auch bereits des Öfteren und bisweilen sogar tödlich realisiert haben, zu begegnen.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB