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Sebastian Edathy
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Frage von Sebastian H. •

Frage an Sebastian Edathy von Sebastian H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Hr. Edathy,

bei Ihrer Antwort an Herrn Hahn vom 17.01.2008 machten Sie u.a. folgende Aussage:

"Weiteren Forderungen nach schnellerer Ausweisung krimineller Jugendlicher mit Migrationshintergrund ist entgegenzuhalten, dass die Probleme der hier legal aufgewachsenen Jugendlichen und Heranwachsenden in der Regel auch hier gelöst werden müssen."

Hierzu würde ich gerne wissen, WARUM Ihrer Meinung nach bei diesen von Ihnen genannten Jugendlichen diese Probleme i.d.R. hier in Deutschland gelöst werden müssen und eine schnelle Ausweisung nicht möglich ist.

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichem Gruss
Sebastian Hirsch

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Antwort von
SPD

Berlin, den 23.01.2008

Sehr geehrter Herr Hirsch,

hätten Sie meine Antwort an Herrn Hahn vom 17. Januar 2008 genau gelesen, wäre Ihnen aufgefallen, dass ich schrieb, dass es durchaus Möglichkeiten für Ausweisungen von schwerkriminellen nicht-deutschen Staatsbürgern aus Deutschland gibt - auch dann, wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind. Ich zitiere: "Die große Koalition hat im vergangenen Jahr durch Änderungen des Aufenthaltsgesetzes den besonderen Ausweisungsschutz Heranwachsender, die im Bundesgebiet aufgewachsen sind und eine Niederlassungserlaubnis besitzen, gemindert. Dieser Ausweisungsschutz ist nun nicht mehr anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen serienmäßiger Begehung nicht unerheblicher vorsätzlicher Straftaten, wegen schwerer Straftaten oder einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist." Der Bundestag hat also im neuen Zuwanderungsgesetz eine leichtere Ausweisung straffälliger Jugendlicher durchgesetzt. Diese müssen seitdem nach schweren Straftaten ausgewiesen werden, bis dahin galt dies nur "in der Regel", war also eine Ermessensentscheidung.

Dass weitergehende Forderungen seitens der Union nach schnellerer Ausweisung nicht nur inhaltlich verfehlt, sondern bereits auf juristischer Ebene nicht umsetzbar und unseriöser Populismus sind, zeigen die grundlegenden Entscheidungen der europäischen Gerichte. Die EU-Rechtsprechung geht davon aus, dass Straftäter im Grunde nach dem Recht beurteilt werden sollen, mit dem sie groß geworden sind. Vorgaben für eine Ausweisung richten sich inzwischen weitgehend nach EU-Recht, das insoweit höherrangig ist. Die von Roland Koch geforderten Ausweisungen würden daher im Ergebnis an europäischem Recht, nämlich an der sogenannten Daueraufenthalts-Richtlinie und an der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), scheitern. Dies betrifft insbesondere straffällige Jugendliche, die als Ausländer in einem Land aufgewachsen sind, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshof (EuGH) der vergangenen Jahre laufen darauf hinaus, dass verwurzelte Jugendliche nur nach schweren Strafen von mindestens fünf Jahren Haft ausgewiesen werden dürfen. Dabei erhalten beispielsweise türkische Staatsbürger aufgrund von EU-Verträgen mittlerweile annähernd den gleichen Schutz wie EU-Bürger.

Der hessische Ministerpräsident Koch müsste demnach zur Durchsetzung seiner Forderungen nicht nur das deutsche Aufenthaltsrecht ändern, sondern auch die 1950 unterzeichnete Europäische Menschenrechtskonvention, die weltweit geachtet wird.

Es kann doch nicht ernsthaft als das Problem des Herkunftslandes betrachtet werden, wenn hier sozialisierte Personen kriminell werden. Wollen Sie, Herr Hirsch, Personen ohne jegliche Bindung an das Herkunftsland ihrer Eltern dorthin schicken, um damit Probleme, die hier entstanden sind, auszugliedern? Wohlgemerkt Personen, die keine schweren Straftaten begangen haben?

Ich halte davon nichts.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB