Frage an Sebastian Edathy von Christian R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Edathy,
wie Herr Wiefelspütz ankündigte, soll die SPD einer heimlichen Online-Durchsuchung zustimmen.
Wie werden Sie in diesem Fall entscheiden ?
Diese Maßnahme bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger. Unabhängige Zeugen, wie bei einer normalen Wohnungsduchsuchung, gibt es nicht mehr.
Weiterhin besteht die Möglichkeit, belastende Beweise über eine solche Software auf einen Rechner zu übertragen, da eine grundsätzliche Möglichkeit zur Manipulation des Computersystem zum Zwecke der Installation bestehen muss.
Vielen Dank für eine Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Röder
Berlin, den 24.01.2008
Sehr geehrter Herr Röder,
besten Dank für Ihre Frage vom 18. Januar 2008 zur „Online-Durchsuchung“, die ich Ihnen gern beantworte.
Ich habe zum Thema „Online-Durchsuchung“ eine differenzierte Meinung. Dieses Instrument kann m.E. eines von zahlreichen Mitteln zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität sein. Da es sich aber um ein ausgesprochen bürgerrechtssensibles Instrument handelt, ist in einem besonderen Maße neben der Frage der technischen Machbarkeit auch die Frage der Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit dieses Mittels zu klären. Sie finden auf meiner Homepage (insbesondere im Medienspiegel
http://www.edathy.de/edathy.php/cat/59/title/Pressespiegel_2007 ) bezüglich meiner Auffassung nähere Informationen. Es kann in Einzelfällen nach meinem Dafürhalten sehr wohl eine Situation gegeben sein, in der das verdeckte Auslesen eines Datenträgers eine sinnvolle Maßnahme zur Verhinderung eines schweren Verbrechens darstellt.
Wie ich mehrfach öffentlich äußerte, war die SPD nie prinzipiell gegen die Online-Durchsuchung. Nur halte ich es, im Einklang mit der SPD-Bundestagsfraktion, für geboten, das im Frühjahr anstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungsschutzgesetz aus Nordrhein-Westfalen vor einer gesetzgeberischen Entscheidung auf Bundesebene abzuwarten. Dafür habe ich gemeinsam mit der SPD-Bundestagsfraktion in den letzten Monaten geworben, und wir haben uns mit dieser vernünftigen Position gegenüber der Unionsfraktion durchgesetzt. Der Erörterungstermin, der im vergangenen Jahr in Karlsruhe stattgefunden hat, legt die Vermutung nahe, dass das Landesgesetz fehlerhaft ist, vermutlich aber nicht die gesetzgeberische Ermöglichung einer solchen Maßnahme an sich für verfassungswidrig erklärt werden dürfte.
Das vom Bundesverfassungsgericht aus den Artikeln 1 Absatz 1 und 2 Absatz 1 Grundgesetz entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hat eine besondere Bedeutung – gerade in der Zeit einer ständigen Weiterentwicklung des Internet. Ich gehe deshalb davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht eine innovative Interpretation dieses Grundrechts vornehmen und den staatlichen Organen klare Hinweise auf verfassungsrechtliche Grenzen geben wird.
Es wäre ein Fehler, zu verkennen, dass technischer Fortschritt neue Herausforderungen an die Gewährleistung von Sicherheit stellt. Der Rechtsstaat steht vor der Aufgabe, dabei Augenmaß zu zeigen und nicht blind zu werden. Für viel wichtiger als die Frage der eventuellen, beschränkten Ermöglichung von Online-Durchsuchungen halte ich übrigens die Frage, wie wir die bestehenden Möglichkeiten der Telekommunikationsüberwachung auf eine Zeit übertragen, in der Internet-Telefonie und verschlüsselter E-Mail-Verkehr zunehmen.
Es geht nicht darum, Freiheitsrechte für Sicherheitsinteressen zu opfern. Es geht darum, wie wir Freiheit und Sicherheit gleichermaßen gewährleisten können. Beides bedingt sich, beides ist zusammen zu sehen.
Selbstverständlich wird es mit der SPD aber nur Regelungen geben, die rechtsstaatliche Ansprüche erfüllen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind. Dazu gehören beim Thema Online-Durchsuchung beispielsweise der Richtervorbehalt und die gesetzliche Beschränkung auf schwerste Straftaten.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB