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Frage von Christoph B. •

Frage an Sebastian Edathy von Christoph B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

In Ihrer Antwort an Hr. Matthes stellen Sie NOCH eine unhaltbare Aussage auf:

"Jugendkriminalität ist ein Phänomen, bei dem überwiegend männliche Personen aus Großstädten und sozial schwierigen Verhältnissen in Erscheinung treten - unabhängig von der Staatsangehörigkeit."

Sie kennen den Vortrag des Berliner Oberstaatsanwalts Reusch, den dieser kürzlich vor der Hanns-Seidl-Stifung gehalten hat http://www.hss.de/downloads/071207_VortragReusch.pdf . Hr. Reusch hat danach skandalöserweise Redeverbot bekommen - obwohl er langjährige einschlägige Polizeierfahrung im Kriminalitätsmilieu hat und alle einschlägigen Statistiken kennt. Siehe dazu http://www.bild.t-online.de/BILD/news/vermischtes/2008/01/05/oberstaatsanwalt/talkshow-verbot,geo=3409938.html

Nur ein Zitat aus dem HSS-Link (S. 4-6, bitte auch die sehr aussagekräftigen Grafiken ansehen): "Es sind somit nur wenige Nationalitäten ´führend´: Nach den deutschen Staatsangehörigen folgen die Türken sowie Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, bei denen es sich überwiegend um libanesische Kurden bzw. um Palästinenser handelt, Libanesen und Staatsangehörige jugoslawischer Nachfolgestaaten.Alle anderen Nationalitäten stellen Einzelfälle dar. Ein ganz anderes Bild ergibt sich jedoch bei Zugrundelegung der ethnischen Herkunft, wobei von nichtdeutscher Herkunft bereits dann ausgegangen wird, wenn ein Elternteil aus dem Ausland stammt.
Die Masse der Intensivtäter wird demnach von orientalischen Migranten gestellt."

Es ist statistisch signifikant, dass -mit Ausnahme der ebenfalls sehr auffälligen Russlanddeutschen- praktisch alle Intensivtäter ausschließlich dem arabisch-türkisch-muslimischen Milieu entstammen.

Frage daher an Sie: Wie können Sie angesichts dieser und so vieler anderen Polizeistatistiken Ihre Behauptung "Kriminalität ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit"; aufstellen? Halten Sie diese entgegen statistisch-empirisch klar gegenteiliger Erkenntnisse aufrecht?

Mit fr. Gruß
C. Böringer

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Antwort von
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Berlin, 18.01.2008

Sehr geehrter Herr Böringer,
im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über Jugendgewalt möchte ich Sie auf eine kürzlich erschienene und sehr lesenswerte Studie von Dirk Baier und Christian Pfeiffer (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen) hinweisen.

Diese Studie finden Sie online hier:
http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb100.pdf

Untersucht wird auf einer breiten Datengrundlage (befragt wurden 14.300 Jugendliche aus den 9. Jahrgangsstufen) die Gewalttätigkeit bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund.

Die Autoren leiten aus ihrer Studie vier zentrale Präventionsvorschläge ab: "Wenn es gelingt, die familiäre Erziehung gewaltloser zu gestalten, die Bildungschancen zu verbessern, die Männlichkeitsnormen zu relativieren und die Medienumgangsweisen zu kontrollieren, dann könnte ein großer Schritt in Richtung Absenkung des höheren Gewaltniveaus nichtdeutscher Jugendlicher getan werden." (S. 46)

Hier kurz einige interessante Befunde der Studie, mit Blick auf Kinder mit zwei deutschen Elternteilen (a) und Kinder mit mindestens einem türkischstämmigen Elternteil (b):

In armutsnahen Verhältnissen lebend: a - 8,1%, b - 23,0%
Erhebliche Gewalterfahrung in der Familie: a - 17,0%, b - 29,8%
Hauptschüler: a - 14,3%, b - 42,9%
Mitglied in einem Verein: a - 64,7%, b - 41,4%
Ausgeprägte Männlichkeitsnormen bei männlichen Jugendlichen: a - 3,9%, b - 23,7%

Interessant ist übrigens auch das Ergebnis einer Parallel-Befragung von Viertklässlern: Auf die Frage, von wem sie die letzten drei Male zum Geburtstag eingeladen wurden, haben nur 56% der Kinder mit mindestens einem türkischstämmigen Elternteil angegeben, von mindestens einem deutschen Kind eingeladen worden zu sein.

Vielleicht finden Sie ja die Zeit, die Studie durchzulesen und Ihre Meinung auf den Prüfstand zu stellen. Es geht nicht um höhere Strafen, es geht um mehr Integration und Prävention!

Abschliessend noch ein Zitat aus der Studie: "(...), dass die Ausländer noch immer eine von den Deutschen unterscheidbare Sozialstruktur aufweisen: Sie sind etwas öfter männlich, durchschnittlich etwas jünger und häufiger aus unteren Einkommens- und Bildungsschichten. Diese Eigenschaften erhöhen - auch bei Deutschen, für die sie aber seltener zutreffen - die Delinquenzbereitschaft und damit auch die Wahrscheinlichkeit einer kriminalistischen Registrierung."

Der Blick auf Fakten gefährdet das Denken in Vorurteilen - versuchen Sie es trotzdem mal.

Mit freundlichem Gruß
Sebastian Edathy, MdB