Frage an Sebastian Edathy von Klaus-Peter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Edathy,
Ihre Antworten auf die Fragen der Herren Gramsch und Richter habe ich gelesen und stelle erfreut fest, nicht nur, daß sie sich überhaupt die Mühe einer Antwort machen (was man nicht von allen Ihren Kollegen sagen kann), sondern auch die Gedankenspiele des Herrn Innenministers entschieden ablehnen.
Sie verweisen darauf, daß nur Frau Merkel ihren Parteifreund Schäuble abberufen könnte.
Dennoch frage ich mich und Sie, ob nicht der Innenausschuß und der Rechtsausschuß des Bundestages über Ihre persönliche Meinungsäußerung per Zeitung hinaus eine Initiative gegen die Äußerungen Schäubles ergreifen und auch das schweigende Dulden der Kanzlerin problematisieren müßte.
Zugleich bewegt mich die Frage:
Meinen Sie, daß die Bürger der BRD das Recht und die Pflicht haben, gegen die geäußerten Positionen des Innenministers aktiv zu werden (und zwar über den allgemeinen Hinweis hinaus, nicht CDU zu wählen)?
Wenn ja, was würden Sie sich wünschen bzw. was würden Sie empfehlen, daß verantwortungsbewußte demokratische Bürger in dieser Situation tun sollen?
Hochachtungsvoll
Klaus-Peter Kurch
Rehburg, 14.07.2007
Sehr geehrter Herr Kurch,
ich bedanke mich für Ihre Zuschrift.
In einer Demokratie gilt das Recht auf Meinungsäusserung. Dieses steht selbstverständlich auch dem Bundesinnenminister zu.
Zugleich gilt, dass Gesetze weder von einem Minister noch von der Bundesregierung beschlossen werden, sondern vom Parlament. In der Regel bedeutet dies, dass sich ein Kabinettsmitglied, um für seine Vorstellungen Mehrheitsfähigkeit zu erlangen, zumindest mit den Fraktionen verständigen sollte, die die Mehrheit im Bundestag bilden. Herr Schäuble tut dies meistens nicht, sondern wendet sich oft unabgestimmt mit zum Teil obskuren Ideen an die Öffentlichkeit, die er bei entsprechendem Gegenwind dann nicht als Vorschläge, sondern als Fragen verstanden wissen will. Er tut sich damit selbst keinen Gefallen, weil er nicht nur in der Öffentlichkeit Verwirrung stiftet (welche davon ausgehen dürfte, dass ein Minister nicht nur seine individuelle Meinung vertritt, sondern mehrheitsfähige Vorstellungen darlegt), sondern auch in der Regierungskoalition für Unmut sorgt. Die überaus deutliche öffentliche Kritik durch den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck und den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Peter Struck unterstreicht dies. Auch intern ist der Union mehrfach übermittelt worden, dass das Verhalten des Bundesinnenminister nicht geeignet ist, ein konstruktives Arbeitsklima zu befördern.
Die amtierende Koalition ist keine Liebesheirat, eher eine Zwangsehe. Ein Bündnis auf Zeit, das mit Blick auf zentrale Reformaufgaben (Strukturänderungen des Föderalismus, Sanierung der Staatsfinanzen, Zukunftsfestigkeit des Sozialversicherungssystems) wichtige Aufgaben wahrzunehmen in der Lage ist. Es ist aber auch so, dass die Koalitionspartner z.B. im Bereich der Innenpolitik unterschiedliche Positionen haben, was letztlich nicht verwunderlich ist: Wir koalieren, aber wir haben nicht vor, zu fusionieren, wir sind unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Standpunkten. Für die SPD ist von entscheidender Bedeutung, dass wir in der Innenpolitik eine vernünftige Balance zwischen der Wahrnehmung von Sicherheitsbelangen und dem Schutz und der Weiterentwicklung von Bürgerrechten wollen. Herr Schäuble setzt andere Schwerpunkte. Ich bin überzeugt davon, dass wir bei der Verteidigung des Rechtsstaats dessen Grundsätze nicht freigeben dürfen.
Ich bin sicher, dass sich der Bundestag nach der Sommerpause, auch der Innenausschuss, mit diesem Thema weiter beschäftigen wird. In diesem Rahmen, und selbstverständlich bei internen Besprechungen, wird seitens der SPD deutlich gemacht werden, dass der Bundesinnenminister mit dem öffentlichen Präsentieren von definitiv nicht mehrheitsfähigen Positionen die Arbeit der Koalition und den Kooperationswillen nicht eben befördert.
Bürgerinnen und Bürgern, die Kritik an dem Wirken des Bundesinnenministers haben, kann ich nur empfehlen, ihm diese mitzuteilen und seine Position zu hinterfragen. Zum Beispiel auf dieser Seite. Oder Leserbriefe zu verfassen, die meiner Erfahrung nach gerade in den Lokalzeitungen gerne abgedruckt und viel gelesen werden.
Und wer mehr machen möchte, sollte sich einer Partei anschliessen und in dieser mitwirken, die weiss, dass man die Freiheit nicht aufgeben darf, um sie zu schützen. Meiner Partei zum Beispiel, die das seit fast 144 Jahren weiss.