Frage an Sebastian Edathy von Katrin N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Edathy,
ihre Äußerung zum Einsatz der Polizei lautet folgendermaßen: "Es sollte geprüft werden, ob wir bundesweit den Einsatz von Gummigeschossen zum Selbstschutz der Polizisten in besonderen
Gefahrensituationen erlauben. Da Hunderte von Beamten verletzt worden
sind, halte ich solche Forderungen für plausibel."
Meine Fragen:
1.Woher nehmen sie die Zahlen hunderte Beamte? Laut offiziellen Pressemitteilungen von Polizei, Ärzten und Krankenhäusern ist dies eine unhaltbare Feststellung!
2.Sie sind Mitglied bei amnesty international, wie lässt sich ihre Forderung damit vereinbaren?
Der Treffer eines sog. "Gummigeschosses" kann übrigens tödliche Folgen haben. Man kann sich also ruhig am eigenen Leben bedroht fühlen wenn man unter Feuer steht.
Anschauliches Material über die Folgen diverser "Less Lethal" ("weniger tödlich") Waffenformen kann den links entnommen werden.
http://en.wikipedia.org/wiki/Rubber_bullet
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/sanis/archiv/gummi/kap_03.htm
Sehr geehrte Frau Neiss,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Demokratie und Bürgerrechte vom 06. Juni 2007.
Am 4. Juni 2007 hat der stellvertretende Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft die Ausrüstung der Polizei mit Gummigeschossen gefordert. Hierzu werde ich am 5. Juni 2007 in der Zeitung "Bild" wie folgt zitiert: "Es sollte geprüft werden, ob wir bundesweit den Einsatz von Gummigeschossen zum Selbstschutz der Polizisten in besonderen Gefahrensituationen erlauben. Da Hunderte von Beamten verletzt worden sind, halte ich solche Forderungen für plausibel."
Die in meinem Wahlkreis erscheinende Zeitung "Schaumburger Nachrichten" hat hierzu am 6. Juni 2007 den folgend im Wortlaut wiedergegebenen Artikel veröffentlicht, der den Zusammenhang meiner Äußerungen umfassend darstellt:
"Edathy: Einsatz von Geschossen aus Gummi prüfen Soll die Polizei in Auseinandersetzungen mit gewaltbereiten Chaoten auch Gummigeschosse einsetzen dürfen? Mit seinem Vorschlag, die Möglichkeit einer entsprechenden Gesetzgebung zu prüfen, hat sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy pointiert in die Debatte um Folgerungen aus den G8-Krawallen in Rostock eingeschaltet. Dazu gab es gestern auch reichlich Widerspruch. Kreis Schaumburg.
Als aus den Reihen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) eine entsprechende Forderung erhoben wurde, hatte Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags, der „Bild-Zeitung“ erklärt: „Es sollte geprüft werden, ob wir bundesweit den Einsatz von Gummigeschossen zum Selbstschutz der Polizisten in besonderen Gefahrensituationen erlauben.“ Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, lehnte Gummigeschosse daraufhin gestern als „kein geeignetes Einsatzmittel“ ab. Die Verletzungsgefahr für Unbeteiligte sei hoch, zudem verschärfe ein solches Mittel Konfliktsituationen eher. Sogar als „absolute Dummheit, so eine Diskussion“ kanzelte der Sprecher der G8-Polizeieinheit „Kavala“, Axel Falkenberg, den Vorschlag ab. Auf SN-Anfrage riet Edathy dem G8-Einsatzsprecher zur „verbalen Abrüstung“. Ihm gehe es überhaupt nicht um den Einsatz von Gummigeschossen in der akuten Lage um den G8-Gipfel, präzisierte Edathy seinen Vorschlag. Vielmehr ziele er vor dem Hintergrund der „neuen Qualität von Gewalt, wie wir sie in Rostock erlebt haben“, auf eine „ergebnisoffene“ Prüfung der Möglichkeit, für die Zukunft die gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Gummigeschossen „in Extremsituationen“ zu schaffen. Dieser Punkt sei nämlich gesetzlich nicht geregelt, führte Edathy aus. Gesetzlich geregelt sei zwar die Einsatzmöglichkeit für scharfe Waffen, Schlagstöcke, Wasserwerfer und Tränengas, aber eben nicht für Gummigeschosse. In Ländern wie Frankreich, Spanien, England oder der Schweiz gebe es entsprechende Regelungen, „unzweifelhaft demokratische Gesellschaften“, argumentierte der Innenexperte. „Natürlich muss die Anwendung des jeweiligen Mittels verhältnismäßig, notwendig und angemessen sein“, so Edathy. Er rate zu einem Nachdenken vor dem Hintergrund auch der Erfahrungen, die in den kommenden Tagen rings um den G8-Gipfel noch gemacht werden. „Ich habe schon jetzt den Eindruck, dass die Prävention besser werden muss, aber auch die direkten Eingriffsmöglichkeiten und Selbstschutz-Maßnahmen der Polizei in extremen Gefahrenlagen."
Zu Ihren weiteren Fragen möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Angaben, dass es sich um hunderte verletzte Polizeibeamte gehandelt habe, nicht korrigiert wurden. Wenn auch unter Umständen die Zahl der Schwerverletzungen aufgrund der Selbsteinschätzung durch die Beamten zu hoch ausfiel, so ändert dies doch nichts an der Tatsache, dass es sich um 434 verletzte Polizisten im Rahmen der Rostocker Demonstration am 2. Juni handelte. Diese Zahl ließ ich mir soeben nochmals von der Rostocker Polizei bestätigen. Meines Erachtens ist im Nachgang zu den Ereignissen in Mecklenburg-Vorpommern um den G8-Gipfel das Sicherheitskonzept zu evaluieren. Das betrifft vor allem den Bereich der Prävention (Grenz- und Personenkontrollen), aber auch die Frage der Ausstattung der Sicherheitskräfte. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit haben auch Polizeibeamte. Dieses Recht wurde am 2. Juni 2007 in Rostock durch brutale Gewalttäter massiv verletzt. Dass ich nicht möchte, dass sich das wiederholt, steht selbstverständlich nicht in einem Widerspruch zu meiner Mitgliedschaft bei amnesty international. Im Gegenteil, wenn Sie meine Arbeit verfolgen, werden Sie wissen, dass ich ein Verfechter des liberalen (Bürger-)Rechtsstaates bin. Ich bin aber ebenso davon überzeugt, dass diejenigen Menschen, die im Auftrag unseres Staates die Rechtsordnung schützen, ihrerseits Anspruch auf Schutz haben.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB