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Frage von Tanja G. •

Frage an Sebastian Edathy von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

die folgenden allgemeinen Fragen zu verfassungswidrigen Gesetzen beim Datenschutz können Sie sicherlich in wenigen Minuten beantworten:

Hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz die Möglichkeit der Verfassungsklage?

In welchen Ländern können die Datenschutzbeauftragten der Länder die Landesverfassungsgerichte anrufen?

Unter welchen Voraussetzungen haben einzelne Bundestagsabgeordnete die Möglichkeit der Verfassungsklage?
Nach meiner Erinnerung hat es solche Klagen schon gegeben und wollen jetzt 2 Bundestagsabgeordnete das Bundesverfassungsgericht wegen des Tornado-Einsatzes in Afghanistan anrufen.

Die nachfolgende Frage zur geplanten Ankoppelung der Kirchensteuer an die Abgeltungssteuer berührt Ihre Einstellung zum Grundgesetz und kann schon jetzt beantwortet werden.
In Abgeordnetenwatch forderte der Berliner Abgeordnete Wolfgang Wieland in einer Antwort vom 6.3.07 an Herrn Gerhard Reth:

Weitergabe von religiösen Daten an Banken durch eine staatliche Datenbank nur nach einer Einverständniserklärung der Kirchensteuerpflichtigen!

Ist das auch Ihre Meinung?

Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Großmann,

vielen Dank für Ihre Fragen zu den Themen Demokratie und Bürgerrechte vom 11. März 2007, die ich Ihnen gern beantworte.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat m.E. nicht die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Grund dafür ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „die materiellen Grundrechte und der zu ihrer Verteidigung geschaffene Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde (…) auf juristische Personen des öffentlichen Rechts (…) grundsätzlich nicht anwendbar“ sind (vgl. u.a. BVerfGE 21, 363; 45, 63; 61, 82; 70,1). Ausnahmen gibt es lediglich bei der Geltendmachung von Verfahrensgrundrechten, wie z.B. Art. 101 Abs. 1 S. 2 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG), und bei solchen „Personen des öffentlichen Rechts (…), die von den ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind..“ (vgl. u.a. BVerfGE 61, 82; 68, 193; 75, 192; 107, 299). Dies wurde bisher bejaht für Rundfunkanstalten (Art. 5 Abs. 1 GG), Universitäten und Fakultäten (Art. 5 Abs. 3 GG) sowie Kirchen (Art. 4 GG).

Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass die außerordentliche Klageart der Verfassungsbeschwerde eine Abwehrmöglichkeit des Bürgers gegen den Staat darstellt, sie aber nicht für Klagen zwischen staatlichen Stellen vorgesehen ist. Einzig, wenn der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, als Privatperson sich durch den Staat in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten verletzt fühlen würde und auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt wären, könnte er demnach Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben. Zu Ihren Fragen zur Landesverfassungsgerichtsbarkeit möchte ich Sie, da diese eben nicht Bestandteil des Bundesrechts ist und auch naturgemäß nicht in die Bundeszuständigkeit fällt, an die jeweiligen Landtagsabgeordneten bzw. Landesdatenschutzbeauftragten verweisen.

Soweit ein Bundestagsabgeordneter um seinen verfassungsrechtlichen Status als Abgeordneter (vor allem Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) streitet, ist die Organstreitigkeit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG gegenüber der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG der spezielle Rechtsbehelf, so dass die Verfassungsbeschwerde in diesem Fall unstatthaft ist, vgl. BVerfGE 60,374, st. Rspr. Das gilt auch dann wenn der Abgeordnete zugleich eine Grundrechtsverletzung rügt. Aufgrund der vorrangig gegebenen Möglichkeit der Organstreitigkeit ergibt sich für den Abgeordneten dadurch aber in der Regel keine Schlechterstellung.

Bei der von Ihnen angesprochenen Klage zweiter Bundestagsabgeordneter gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages zum Tornadoeinsatz in Afghanistan handelte es sich daher auch um eine Organklage. Der entsprechende Eilantrag wurde indes am 12. März 2007 vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen, da nach ständiger Rechtsprechung eine sog. Prozessstandschaft einzelner Abgeordneter für das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag nicht in Betracht kommt und darüber hinaus diese Abgeordneten in ihrer Klage die Verletzung oder Gefährdung ihrer Statusrechte nicht schlüssig dargelegt haben (BVerfG, Beschluss vom 12. März 2007, Az.: 2 BvE 1/07).

In Parallele zu den politischen Parteien ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Abgeordneten die Verfassungsbeschwerde allerdings dann eröffnet, wenn der Antragsgegner nicht parteifähig im Organstreitverfahren ist. Gleiches gilt auch, wenn der Abgeordnete im Einzelfall selbst nicht im Organstreitverfahren antragsbefugt ist: „Soweit ein Abgeordneter die Verletzung eines Rechts, das sich aus seinem Status ergibt, in keinem anderen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen kann, ist die Verfassungsbeschwerde statthaft“ (BVerfG, Urteil vom 30.07.2003; Az.: 2 BvR 508/01 und BvE 1/01).

Zu Ihrer letzten Frage verweise ich auf meine Antwort vom 13. März 2007 auf die Frage von Herrn Reth.

Ich hoffe, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Edathy, MdB