Frage an Sebastian Edathy von Florian E. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Edathy,
als Vorsitzender des Innenausschusses haben Sie einen nicht ganz unerheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Datenschutzes in unserem Land. Diesbezüglich habe ich folgende Fragen:
- Sind Sie für den Einsatz von RFID-Technologie in amtlichen
Personalausweisdokumenten?
Wenn ja,
- sind Sie mit dem Verfahren zum auslesen sowie der eingesetzten Verschlüsselungstechnik der Daten vertraut?
- sind Sie der Meinung, dass der Einsatz von kontaktlos auslesbaren RFID-Chips in Personalausweisdokumenten das Missbrauchspotential durch Fälschung senken und die Sicherheit der Bürger nachhaltig steigert kann, insbesondere in Hinblick auf Datenschutz und Identitätsdiebstahl?
- sind Ihnen Fälle bekannt, bei denen das auslesen und kopieren von Daten funktioniert hat?
- sind Sie sich im klaren darüber, dass Sie mit der Einführung von kontaktlos auslesbaren biometrischen Ausweisen, eine nicht kontrollierbare und nur noch schwer umkehrbare Basis zur lückenlosen Überwachung aller Bürger dieses Staates schaffen?
- welche Maßnahmen sind vorgesehen, falls ein Drittstaat geltende Datenschutzbestimmungen der EU verletzt indem er Daten von EU-Bürgern nicht gesetzteskonform verarbeitet?
- haben Sie, ähnlich wie Herr Schily, eine enge, wie auch immer geartete Beziehung zu Firmen, die in diesem Bereich tätig sind (Quellen: http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/76895, http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml ?url=/newsticker/meldung/76682, http://www.sueddeutsche.de/,poll1/deutschland/artikel/940/82858/) ?
- wie stehen Sie zu dem Recht auf Privatsphäre allgemein und sind Sie der Meinung, dass der Bürger den Staat grundsätzlich als vertrauenswürdig einstufen sollte?
Wenn nein,
- was unternehmen Sie, um den Einsatz von RFID-Technologie in Personalausweisdokumenten zu verhindern oder sicherer zu machen?
Mit bestem Dank
Florian Endler
Sehr geehrter Herr Endler,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 2. Januar 2007 zum Datenschutz und zur RFID-Technologie in amtlichen Personalausweisdokumenten.
Die Nutzung moderner Techniken zur Speicherung von erkennungsdienstlich relevanten Daten und den Einsatz der RFID-Technologie auf Ausweisdokumenten halte ich insgesamt für sinnvoll. So wird eine schnellere Identitätsüberprüfung ermöglicht und insbesondere ein Höchstmaß an Fälschungssicherheit von Ausweisdokumenten erreicht.
Gleichwohl gilt es, auch auf internationaler Ebene, sicherzustellen, dass die Daten ausschließlich auf den Pässen und nicht in externen Dateien gespeichert werden. Dass ein Datenmissbrauch ausgeschlossen wird, ist erklärtes Ziel der SPD-Bundestagsfraktion. In diesem Zusammenhang möchte ich aber darauf hinweisen, dass ich das Bedrohungsszenario eines unbefugten Auslesens der Daten auf den Dokumenten für eher theoretisch halte. Insbesondere stünde der aufzubringende Aufwand in keinem Verhältnis zum dadurch erzielten Informationsgewinn.
Seit längerer Zeit kursiert die Mutmaßung, dass das Bundesministerium des Innern beabsichtige, die auf Chips von Ausweisdokumenten gespeicherten biometrischen Daten gegen Bezahlung an Dritte weiterzugeben. Diese Behauptung ist falsch. Biometrische Daten werden in der Bundesrepublik sowohl zum jetzigen Zeitpunkt als auch in der Zukunft ausschließlich für hoheitliche Zwecke ausgelesen und gespeichert. Eine andere Vorgehensweise stünde weder im Einklang mit dem im Grundgesetz verankerten Recht auf informationelle Selbstbestimmung, noch ist es gesetzlich zulässig, Dokumentendaten zentral zu speichern. Letzteres wäre jedoch die notwendige Voraussetzung für einen Verkauf von den in den biometrischen Personalausweisen enthaltenen persönlichen Daten. Der Hintergrund dieser Spekulation ist die von Ihnen angesprochene und für 2008 geplante Einführung von elektronischen Personalausweisen. Diese sollen neben den auf einem integrierten Chip gespeicherten persönlichen Daten mit einer elektronischen Authentisierungsfunktion, optional auch mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, ausgestattet werden. Die Authentisierungsfunktion soll dem Ausweisinhaber die Möglichkeit eröffnen, sich elektronisch auszuweisen, um so eine einfache und sichere Nutzung elektronischer Geschäfts- und Verwaltungsprozesse zu gewährleisten. Dies entspricht dem Kabinettsentwurf der Bundesregierung zum „E-Gouvernement 2.0“ und fördert eine schnellere und effizientere Verwaltung und trägt damit zur Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger bei.
Mit dieser Authentisierungsfunktion in Form einer digitalen Signatur können sich die Bürgerinnen und Bürger sicher und eindeutig auch im Internet elektronisch ausweisen sowie besser als bisher vor Identitätsbetrug geschützt werden. Die Übermittlung von Identitätsdaten erfolgt dabei aber unter der vollen Kontrolle des Benutzers, der seine Daten für den einzelnen Geschäftsvorgang explizit freigeben muss. Biometrische Daten sind von diesen Prozessen allerdings von vornherein ausgeschlossen. Insbesondere sollen – nach Entscheidung des Benutzers – nur die für den jeweiligen Geschäftsprozess notwendigen Daten übertragen werden. Damit wird das Gebot der Datensparsamkeit in die Praxis umgesetzt und dem Datenschutz Rechnung getragen. Dazu zählt auch die klare Zweckbindungsregelung und die Sicherstellung der Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit der Daten. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass ein Maximum an Sicherheit und Schutz vor Datenmissbrauch in der Umsetzung der Pläne gewährleistet sein wird.
Die Bundesregierung hat zur geplanten Einführung von elektronischen Personalausweisen in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag weitere Informationen geliefert. Die entsprechende Bundestags-Drucksache können Sie unter http://dip.bundestag.de/ mit der Drucksachennummer 16/1880 aufrufen.
Übrigens: Zu Ihrer Frage nach geschäftlichen Beziehungen zu Firmen, die im Bereich der RFID-Technologie tätig sind, kann ich Ihnen mitteilen, dass solche meinerseits weder bestanden noch bestehen.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erachte ich als besonders bedeutsam. Dieses erst vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz kreierte Grundrecht schafft dem Bürger eine Zone, in der selbst entscheiden kann, ob er seine persönlichen Daten preiszugeben gedenkt oder nicht. Diesem Auftrag entspricht die oben erläuterte Lösung.
Wenn damit aber die Gefahr eines Missbrauchs nahezu ausgeschlossen ist und eine Innovation bzw. die daraus resultierende Technologie eine Sicherheitserhöhung schafft, halte ich es ebenfalls für wichtig, die sich bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Dabei müssen die Interessen der effektiven Sicherheitspolitik und die Achtung der Grundrechte miteinander in Einklang gebracht werden. Auch wenn ich einige der Bedenken der Datenschützer verstehen kann, so sehe ich dennoch in erster Linie Vorteile in der Einführung dieser neuen Technologie. Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass nicht, wie Sie es formulieren, „eine nicht kontrollierbare und noch schwer umkehrbare Basis zur lückenlosen Überwachung aller Bürger dieses Staates“ geschaffen wird. Der Staat hat kein Interesse an einer solchen Überwachung. Im Gegenteil bin sowohl ich als auch die gesamte SPD-Bundestagsfraktion dafür, nicht die Rechte der Bürger zu vermindern, sondern vielmehr Freiheiten zu erweitern. Dies aber unterstützt diese neue Technologie, indem sie die Bürgerinnen und Bürger von Verwaltungsbürokratie entlastet, während sie sich zugleich der Sicherheit ihrer Daten gewiss sein können.
Ich hoffe, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB