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Frage von Markus S. •

Frage an Sebastian Edathy von Markus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Edathy,

ich habe mal wieder eine Frage zu dem "langsam wirklich nervtötenten" Thema Eurorettung bzw. Griechenland.

In heutigen Onlinemedien steht mal wieder der Schuldenschnitt im Raum. Das er kommen wird, wird wohl jeder wissen. Ottonormalverbraucher wusste das Griechenland nicht zu retten ist schon 2010. Leider denken die Schaltzentralen in diesem Land das man dieses Land immer noch in der EUROzone halten kann.

So nun zu meinen Frage:

1. Man wirb ja immer mit dem Slogan: "Wir müssen wieder Vertrauen bei den Märkten schaffen".

Wie soll das bitte schön geschehen, wenn Verträge nicht das Papier wert sind auf den sie stehen, oder die "roten Linien" jede Woche neu verlegt werden?
Wie soll so ein Vertrauen wieder hergestellt werden?

2. Ihr Kanzlerkandidat (wovon ich übrigens sehr froh bin, das er es geworden ist) sagte: „Jetzt sollten wir uns die Frage stellen, was uns Europa wert ist.“

Wie darf ich das verstehen? Uns als Deutsche (weil wir die Jahrtausendschuld auf uns geladen haben) müssen für sämtliche Betrüger und Verschwender in diesem Laden bezahlen? Das soll mir das wert sein? Mir ist diese EU, in dieser Form, keinen weiteren Cent mehr Wert. Hier werden Betrüger (Ja, wenn ich ein Nazi bin, wenn ich nicht die Geldbörse schnelle und weit genug aufmache, und auch noch Bedingungen stelle, dann sind für mich die Griechen Betrüger) und Verschwender mit immer neuen Geld belohnt, irgendwelche Leute, die ich nicht gewählt habe (EU-Kommisare) schreiben mit Dinge vor, was ich zu tun und zu lassen habe. Diese EU soll mir was wert sein?
Also warum soll ich diese EU (ausdrücklich "diese EU", weil ich eigentlich von dem PRojekt überzeugt bin, wenn es richtig gemacht wird) retten? Was habe ich (als kleiner Bürger) davon (außer das ich kein Geld mehr wechseln muss und toll in andere Länder reisen darf)?

Mit freundlichen Grüßen
Markus Schneider

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schneider,

für Ihre Fragen bedanke ich mich. Die Entscheidung, abermals einem Hilfspaket für Griechenland zuzustimmen, ist der SPD-Bundestagsfraktion nicht leicht gefallen. Ich selbst habe im Übrigen nicht an der Abstimmung teilgenommen. Denn die Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung ist mehr als berechtigt: Am Verfahren, am Anpassungsprogramm für Griechenland, am Umgang mit dem Parlament, an unrealistischen Annahmen. Dennoch ist es keine Entscheidung über ein Maßnahmenpaket von Schwarz-Gelb, sondern über ein Maßnahmenpaket, das von 17 Euroländern, von denen elf sozialdemokratisch (mit)regiert werden, getragen wird.

Was haben Sie von der EU, lautet eine Ihrer Fragen. Die Stabilisierung der Eurozone liegt in unserem ureigenen Interesse, sie ist nicht nur ein Akt der Nächstenliebe. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann uns die Rezession erreicht. Das ist keine Schwarzmalerei: Wir profitieren nur so lange von unseren Exporten, wie es in unseren Nachbarländern soziale Stabilität und Wohlstand gibt.

Die SPD hat einem konkreten Hilfspaket zugestimmt, das Griechenland vor einer Staatspleite bewahrt. Damit werden eine ökonomische Kettenreaktion in Europa und fatale Auswirkungen auch auf den Wohlstand in Deutschland verhindert. Mit diesem Votum signalisiert die SPD KEINE Zustimmung zu einer Austeritätspolitik mit verheerenden Folgen, für unausgewogene Kürzungen bei Löhnen, Renten oder Sozialleistungen in Griechenland. Unser umfassendes Rettungskonzept sieht bekanntermaßen anders aus.

Griechenland braucht mehr Zeit. Schon vor Monaten wurde angemahnt, dass Strukturreformen nicht über Nacht umzusetzen sind. Griechenland und die reformwilligen Kräfte brauchen Unterstützung und Anreize für die dringend benötigte Verwaltungsmodernisierung. Nur wenn Griechenland ausreichend Zeit zur Umsetzung dieser Strukturreformen erhält, wird das Land künftig wieder einen tragfähigen Haushalt entwickeln und auf eigenen Füßen stehen.
Ein Aufbauprogramm für Wachstum und Beschäftigung ist durch die schnellstmögliche Einführung der Finanztransaktionssteuer zu finanzieren. Das haben wir in den Verhandlungen zum Fiskalpakt gegenüber der Bundesregierung und im Schulterschluss mit den sozialdemokratischen Regierungen in der EU durchgesetzt!

Weiterhin halten wir fest an unserer Forderung, einen europäischen Schuldentilgungsfonds für Altschulden gemäß den Vorschlägen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einzurichten, um den notleidenden Staaten eine realistische Entschuldungsperspektive zu bieten.
Die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland liegt mittlerweile bei über 50%! Hier muss schnell auch mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds durch Maßnahmen für Berufseinstieg und Qualifizierungsprogramme Abhilfe geschaffen werden.

Um Ihre Frage, was die EU Ihnen wert sein sollte, zu beantworten: Jenseits der wirtschaftlichen Auswirkungen, die eine Staatspleite für Griechenland und Europa hätte, liegt mir und meinen Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion viel daran, dass das politische System und die Demokratie nicht weiter unter die Räder geraten. Sie wählen harsche Worte für die Griechinnen und Griechen, bezeichnen sie pauschal als "Betrüger" und "Verschwender". Bei aller Kritik an überkommenen Strukturen, Steuerhinterziehung und Korruption: Besonders die jungen Griechinnen und Griechen brauchen Solidarität und Hoffnung. Dafür müssen wir ihnen einen Vertrauensvorschuss geben. Der kostet keinen Cent. Wir Deutsche haben einen solchen Vertrauensvorschuss von unseren europäischen Partnern in der Vergangenheit mehrfach ebenfalls erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB