Frage an Sebastian Edathy von Tim M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Edathy,
ich habe gestern von Ihrem Parteikollegen Josip Juratovic mitgekriegt, dass die SPD-Bundestagsfraktion die Forderungen der Petition "Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten" des deutschen Hanfverbandes nicht unterstützen wird, und dass Sie an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes, des Anbaus und des Inverkehrbringens von Cannabis festhalten wollen.
Meine Frage deswegen an Sie:
1. Sind Sie der Meinung, dass es gerecht ist, Menschen zu kriminalisieren, die lieber Cannabis konsumieren als Alkohol?
Bitte begründen Sie doch Ihre Antwort.
Beste Grüße
Tim Mockau
Rehburg, 20.12.2011
Sehr geehrter Herr Mockau,
Sie folgen mit Ihrer Frage dem Aufruf des Deutschen Hanfverbandes, Bundestagsabgeordneten zu schreiben. Ähnlich wie bereits meine SPD-Kolleginnen und -Kollegen beantworte ich Ihre Frage zur Entkriminalisierung von Cannabis(-Konsumenten) wie folgt: Eine Legalisierung von Cannabis ist aus Sicht der SPD kein geeignetes Mittel, auch wenn sich diese für viele Jugendliche vielleicht als einfache Lösung präsentiert. Sie würde eine Reihe von Folgemaßnahmen notwendig machen und sicherlich auch eine Steigerung beim Konsum von Cannabis nach sich ziehen. Nichtsdestotrotz erkennt die SPD in dieser Frage einen gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit dieser Droge an. Und es ist in der Tat zu überlegen, welches Ausmaß von Strafverfolgung in den unterschiedlichen Bereichen des Konsums von Cannabis jeweils sinnvoll ist, zumal der Umgang mit dem sog. Eigenkonsum in den einzelnen Bundesländern, ja sogar in unterschiedlichen Gerichtsbezirken, sehr differiert.
Ausgehend von der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis, befürworten wir eine einheitliche Regelung zur Festlegung der Kriterien für die Einstellungspraxis nach § 31a BtMG. Die letzte SPD-geführte Bundesregierung hat als Reaktion auf die so genannte „Haschisch-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts von 1994 bei den zuständigen Landesjustizministerien insbesondere die Festlegung einer „geringen Menge“ für den Eigenkonsum angeregt. Diese scheiterte vor allem an der starren Haltung der unionsgeführten Bundesländer, die leider bis heute eine destruktive Rolle bei einer Vereinheitlichung der „Geringe-Mengen-Regelung“ spielen. Nichtsdestotrotz gibt es heute in Deutschland zur Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG eine im Wesentlichen einheitliche strafrechtliche Praxis und Rechtsprechung inklusive einer Festlegung für eine "geringe Menge" für den Eigenkonsum in den Ländern. Ohne den Anstoß der damaligen SPD-geführten Bundesregierung würden wir noch heute darauf warten.
Grundsätzlich sieht jedoch die SPD Cannabis nicht als harmlose Droge an. Der Cannabis-Konsum bei jungen Menschen ist zwar leicht rückläufig, doch immer noch auf einem relativ hohen Niveau. Der Wert für die jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert haben, lag im Jahre 2010 immer noch bei 35,0 Prozent. Das zeigt der aktuelle Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung (2011). Junge Männer kommen auf Werte von 41,0 Prozent, junge Frauen auf 28,8 Prozent. Und sogar 12- bis 15-Jährige haben bereits eine nennenswerte Konsumerfahrung. Eine Legalisierung wird diesen Konsum sicherlich nicht einschränken, und daher halten wir an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes, des Anbaus und des Inverkehrbringens von Cannabis fest. Die dieser Haltung entsprechenden Regelungen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) stehen für uns daher derzeit nicht zur Disposition. Denn in aktuellen Studien zur Auswirkung des nichtmedizinischen Cannabis-Konsums wird immer wieder auf die Gefährlichkeit durch eine ganze Reihe akuter und langfristiger Beeinträchtigungen hingewiesen.
Wir fordern eine bundeseinheitliche Spezifizierung von sog. "geringen Mengen" in § 29 Absatz 5 und § 31a des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Auch wenn die Justizministerinnen und Justiziminister der Länder eine bundesgesetzliche Regelung derzeit nicht für notwendig erachten, so wäre eine diesbezügliche Konkretisierung doch ein großer Fortschritt. Denn weder in den Ländern noch in den einzelnen Regierungsbezirken kann von einer einheitliche Rechtsanwendungen gesprochen werden. Wir fordern eine einheitliche Definition für den Eigenbedarf von Cannabis. § 29 Absatz 5 und § 31a BtMG sind daher zu konkretisieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB