Frage an Sebastian Edathy von Markus S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Edathy,
heute morgen musste ich in der FTD und im Spiegel lesen, dass die Front gegen Eurobonds bröckelt. Also im Klartext "Frau Merkel kippt mal wieder um".
Ich weiß ja wie Ihr Parteivorsitzende dazu steht. Nur frage ich frage mich: Wie kann man für so eine Anleihe sein, ohne gemeinsame Rahmenbedingungen zu haben? Oder geben deutsche Politiker gerne das Geld der deutschen Steuerzahler für andere Länder aus?
Wenn ich sowas wie Eurobonds einführen möchte, dann sollte ich überall die selben Steuern haben (sonst hat z.B. Irland einen Vorteil), man sollte das selbe Renteneintrittsalter haben, und was weiß ich noch für Rahmenbedingungen.
Es kann doch nicht sein, dass wir für jeden die Party bezahlen dürfen. Mit diesen Eurobonds wird die Krise ein paar Jahre verschoben, und wenn dann diese Zinsen auch auf 7%+X angewachsen sind, ist schluß mit der EU. Denn dann gibt es kein Retter mehr.
Und ich halte die EU und den EURO für eine sehr gute Sache.
Wie stehen Sie also dazu? Ich lese ja immer was von Kontrolle, etc. Aber die gab es jetzt auch schon. Und nichts ist passiert. Wer garantiert dem Steuerzahler das jetz? Obwohl bei all den Verträgen die gebrochen worden sind, würde es den Steuerzahler auch nicht mehr wundern, wenn die "neuen" Verträge auch gebrochen werden, wenn es erstmal diese Bonds gibt.
Wer garantiert dem deutschen Steuerzahler, dass er nicht nur als Zahlmeister gebraucht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Schneider
Berlin, 25. November 2011
Sehr geehrter Herr Schneider,
für Ihre Fragen zu Eurobonds und zur aktuellen Situation in der Eurozone danke ich Ihnen.
Ihre Sorgen und Bedenken verstehe ich gut. Nach wie vor liegt von den Staats- und Regierungschefs der Eurozone kein umfassendes und nachhaltiges Gesamtkonzept zur Lösung der Krise vor. Die Situation spitzt sich stattdessen - insbesondere in Griechenland - immer weiter zu. Ich nehme gerne dazu Stellung.
Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen fordern weitergehende Anstrengungen, um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten. Uns jeglicher Hilfe zu verweigern, käme uns viel teurer zu stehen. So führte ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone nicht nur dazu, dass Griechenland mit der Wiedereinführung der Drachme seine Schulden in Euro überhaupt nicht mehr begleichen könnte. Ein Austritt hätte dramatische Folgen für die anderen betroffenen Länder und die Eurozone insgesamt.
Zweifelsohne stehen die betroffenen Länder maßgeblich in der Pflicht. Die Ursachen der Refinanzierungskrise dieser Staaten sind jedoch sehr unterschiedlich. Fakt ist aber, dass die Haushaltsdefizite der betroffenen Länder im Zuge der Finanzkrise massiv in die Höhe geschnellt sind. Auch das hat zu einem Vertrauensverlust geführt. Dabei haben Spanien und Irland in den Jahren vor der Finanzkrise 2007/2008 sogar Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet, auch Portugal lag nur knapp über dem Maastricht-Kriterium und war auf Konsolidierungskurs. Die betroffenen Staaten müssen ihre Haushalte wieder konsolidieren. Das wird jedoch ohne wirtschaftliches Wachstum nicht gelingen. Die einseitigen Spardiktate sind keine Lösung, denn anstatt die Einnahmen der Staatshaushalte zu verbessern, setzen sie auf Ausgabenkürzung und treffen damit vor allem Arbeitnehmer, Rentner und die soziale Infrastruktur.
Anstatt durch populistische Attacken auf die betroffenen Länder die Entsolidarisierung in Europa voranzutreiben, sollten deshalb vielmehr auch die Finanzmärkte und Banken einen deutlichen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. Deshalb fordern wir die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung von Spekulationen. Hierdurch lassen sich auch zusätzliche Mittel für Investitionen generieren. Eine wirksame Banken- und Finanzmarktregulierung ist zwingend. Risiko und Haftung müssen für Finanzmarktakteure wieder zusammenfallen. Als Gegengewicht zu den angelsächsischen Ratingagenturen, die mit ihren Urteilen über die Zukunft von Staaten entscheiden, bedarf es einer Europäischen Ratingagentur, die die Bonität von Ländern bewertet.
Eurobonds, also konditionierte Gemeinschaftsanleihen, sind sicher kein Allheilmittel, können aber Teil einer umfassenden Lösung der Krise sein, denn die bisherigen Maßnahmen haben bis dato keine positive Wirkung gezeigt. Das liegt auch daran, dass die Bundesregierung fast alle Vorschläge lange abgewehrt hat, diese schlussendlich aber dann doch auf den Weg gebracht wurden. Das Zögern und Zaudern von Bundeskanzlerin Merkel hat zu weiterer Verunsicherung an den Märkten geführt. Eurobonds könnten deshalb wirkungsvoll sein, weil sie mit Bedingungen verbunden wären und so Anreize zu einer soliden Haushaltsführung gäben.
Die Berechnungen der Kosten einer Einführung von Eurobonds von bis zu 47 Milliarden sind nicht korrekt, denn sie berücksichtigen nicht, dass ein solcher europäischer Markt der zweitgrößte Markt für Staatsanleihen neben dem Dollar wäre. Das würde die Zinsen drücken. Auch die Erfahrungen der Ausgabe von Anleihen aus dem vorläufigen Rettungsschirm (EFSF) sprechen gegen derart massive Kostensteigerungen. Mit Zinsen von nur 2,5% lagen diese Anleihen nur geringfügig über dem deutschen Zinsniveau von zur Zeit 2,3% für zehnjährige Staatsanleihen. Selbst bei einem Aufschlag von 1% liegen damit die Kosten weit geringer als von den Gegnern von Eurobonds berechnet.
Die Stabilität der Eurozone liegt im deutschen Interesse, weil ein Zusammenbruch unsere Wirtschaft immens schwächen würde. Es gilt das Motto: Es geht uns solange gut, wie es auch allen anderen in Europa gut geht. Deutschland ist nicht nur der größte Nettozahler, sondern auch der größte Profiteur der EU: 40% der deutschen Exporte gehen in die Eurozone, 60% in die EU insgesamt. Allein in den letzten beiden Jahren hat Deutschland durch die Mitgliedschaft in der Eurozone einen Wachstumsvorteil zwischen 2 bis 2,5 Prozentpunkten realisiert.
Ich möchte Ihnen abschließend noch einen Artikel vom 23.11.2011 auf n-tv.de zur Lektüre empfehlen, in dem Peer Steinbrück zu Eurobonds zu Wort kommt:
http://www.n-tv.de/politik/Steinbrueck-malt-Krisenszenario-article4845391.html
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB