Frage an Sebastian Edathy von Rolf L. bezüglich Gesundheit
Wechsel der privaten Krankenversicherung immer noch nahezu ünmöglich
PKV ohne Wettbewerb, Schaden in Millionenhöhe?
Sehr geehrter Herr Edathy,
vielen Dank für Ihre schnelle und kompetente Antwort am 26.02.2011.
Wie Sie richtig mitteilen, ist die Mitnahme der Altersrückstellungen beim Wechsel der PKV nur zu einem kleinen Teil, nämlich nur im Umfang eines rechnerischen "Basistarifs", möglich. Wer von einem privaten Versicherungsunternehmen zu einem anderen wechselt, bekommt also nicht ! seine tatsächlich angesammelte Altersrückstellung zur neuen PKV übertragen. Zudem fehlt den PKV-Mitgliedern eine Kontrolle über die Höhe der eigenen individuellen Altersrückstellung.
(wie z.B. beim Schadensfreiheitsrabatt der Kfz-Versicherer, der rechnerisch nachvollziebar ist.)
Folge: Extrem hohe Beiträge der neuen PKV verhindern den Wechsel!
Der Wettbewerb zwischen den PKV´s ist somit bei langjährigen Mitgliedern auch heute noch nicht im Ansatz gegeben. Der Wechsel von dem "Normaltarif" in einen minimalen Basistarif ist absolut keine Lösung des Problems. Man möchte auch bei einem Wechsel seinen bisherigen Versicherungsschutz behalten. Zudem: Viele Ärzte geben für Basistarifversicherte "aus Zeitgründen" keine zeitnahen Behandlungstermine.
Die Wirksamkeit aller Ihrer Maßnahmen/ Gesetze lassen sich doch sehr einfach überprüfen: Ein wechselwilliges z.B. 50-jähriges PKV-Mitglied holt Kostenangebote ein!
In einer gesunden Marktwirtschaft würden die Beiträge der "neuen" PKV für dieses 50-jährige Mitglied konkurrenzfähig gestaltet sein. Eben nicht so überhöht wie heute!
Ich möchte deshalb hier noch einmal nachfragen, was Sie bzw. Ihre Partei ganz konkret für die nahe Zukunft planen, um den PKV-Wettbewerb real zu aktivieren? Wann wird dann ein 50 / 60-Jähriger endlich seine PKV wirklich wechseln können?
Mit freundlichen Grüßen
R. Lohrmann
Sehr geehrter Herr Lohrmann,
vielen Dank für Ihre ergänzenden Fragen zur privaten Krankenversicherung und in diesem Zusammenhang zu den konkreten Vorhaben der SPD.
2004 hat die SPD ein umfassendes Konzept zur Bürgerversicherung mit dem Ziel vorgelegt, ein Versicherungssystem für alle zu schaffen, in das alle gerecht mit allen Einkommen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen. An diesem Ziel hält die SPD weiterhin fest. Im Moment entwickelt eine Projektgruppe der SPD das Konzept einer Bürgerversicherung weiter und hat bereits erste Zwischenergebnisse präsentiert.
Das SPD-Präsidium hat Ende letzten Jahres dazu einen Beschluss gefasst, der einen guten Überblick über die konkreten Ziele und Vorhaben der SPD gibt. Sie finden den Text hier:
http://www.spd.de/aktuelles/Pressemitteilungen/5782/20101108_beschluss_praesidium_buergerversicherung.html
Eine nachhaltige Finanzierung der Bürgerversicherung kann neben paritätischen Beiträgen der Versicherten nur über Steuermittel erreicht werden, damit keine weitere Belastung der Arbeitnehmer über höhere Sozialabgaben erfolgt. Eine steuerliche Einbeziehung anderer Einkünfte ist effizienter und umfassender als der Weg über eine direkte Verbeitragung von Miet-, Zins- und Kapitalerträgen. Diese Verbeitragung - wie sie die Grünen in ihrem Konzept vorschlagen - wäre sehr bürokratisch, würde die Krankenkassen in die Funktion von Finanzämtern führen und würde auch die vielen Bezieher von kleinen Einkommen treffen, die über geringe zusätzliche Einkommen aus diesen Quellen verfügen. Die Projektgruppe der SPD berechnet derzeit eine ganze Reihe von Modellen, die Ergebnisse werden im April vorliegen. Kopfpauschalen und die Praxisgebühr sind im Modell der SPD nicht vorgesehen.
Weil es seit jeher wichtige verfassungsrechtliche Vorbehalte gibt, kann man die private Krankenversicherung (PKV) nicht einfach abschaffen und alle privat Versicherten in die Bürgerversicherung einbeziehen. Weil wir eine umsetzbare Reform wollen, schlagen wir daher vor, dass in Zukunft auch die PKV Neumitgliedern nur die Bürgerversicherung als Vollversicherung anbietet. So wachsen die Systeme zusammen. Die heutigen Versicherten der PKV sollen außerdem wählen dürfen: Sie können ihre private Krankenversicherung behalten oder aber in die Bürgerversicherung wechseln.
Der Abbau der Zweiklassenmedizin wird gewährleistet durch ein einheitliches Honorarsystem der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherungen, so dass sofort bei der Einführung der Anreiz einer Besserbehandlung von privat Versicherten entfiele. Für alte PKV-Verträge ist der Bestandschutz gewährleistet, aber die so Versicherten hätten darüber hinaus auch die Möglichkeit, sich für eine Bürgerversicherung zu entscheiden. Für alle neu Versicherten gäbe es nur die Option der Bürgerversicherung, wobei diese sowohl von privaten als auch von gesetzlichen Kassen angeboten werden könnte, wie dies z.B. auch in den Niederlanden der Fall ist.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB