Frage an Sebastian Edathy von Matthias M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Edathy,
Im Rahmen meiner Semiarfacharbeit debattiere ich über das Sozialstaatsproblem. Meine Frage an Sie wäre nun, wie Sie die aktuelle Situation im Sozialstaats sehen. Inwiefern können Sie Guido Westerwelle´s These zur spätrömischen Dekadenz widerlegen und was sehen Sie im Sozialstaat noch als verbesserungswürdig an ?
Desweiteren würde mich interessieren, was Sie von dem u.a. auch von Thilo Sarrazin angesprochenen Workfare-Konzept halten.
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Möller
Berlin, 20. Januar 2011
Sehr geehrter Herr Möller,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Sozialstaat. Allein eine Einschätzung der aktuellen Situation im deutschen Sozialstaat, die Sie nicht weiter auf politische Teilbereiche beschränken, böte genug Stoff, um ein Buch zu verfassen. Ihre Frage, was verbesserungswürdig im Sozialstaat ist, reichte für ein weiteres Buch. Ich möchte Ihnen deshalb vor allem weiterführende Literatur empfehlen.
Die SPD betrachtet die Integration aller Menschen in die Gesellschaft als zentrale Aufgabe eines „vorsorgenden Sozialstaats“. Sozialdemokratische Sozialpolitik sieht deshalb den Sozialstaat als komplexes Gefüge, welches Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, Bildungs- und Gesundheitspolitik, Familien- und Gleichstellungspolitik oder auch die Integration von Einwanderern einschließt. Die sozialdemokratische Idee des „vorsorgenden Sozialstaats“ ist im Grundsatzprogramm der SPD niedergeschrieben, zu finden in Kapitel 3.7. des „Hamburger Programms“ ( http://www.spd.de/linkableblob/1778/data/hamburger_programm.pdf )
In dem 2007 erschienenen Band: „Auf der Höhe der Zeit - Soziale Demokratie und Fortschritt im 21. Jahrhundert“ (herausgegeben von Matthias Platzeck, Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier) nehmen Sozialdemokraten Stellung zu verschiedenen Aspekten sozialdemokratischer Politik. Mein Beitrag befasst sich mit sozialdemokratischer Innenpolitik, nachzulesen hier: http://www.edathy.de/edathy.php/cat/22/aid/1758
Das „Netzwerk Berlin“, ein Zusammenschluss junger reformorientierter Abgeordneter der SPD-Bundestagsfraktion, dem ich angehöre, hat 2008 das Buch „Der vorsorgende Sozialstaat“ herausgegeben, sicher eine interessante Lektüre für Ihr Forschungsthema ( http://www.netzwerkberlin.de/netzwerk_berlin/buchvorstellung.htm?id=105 ).
Zu Ihrer Frage zum „Workfare-Konzept“: Der Beschluss des SPD-Präsidiums „Fairness auf dem Arbeitsmarkt. Begrenzung der Leiharbeit - Mehr Mitbestimmung - Mindestlöhne - Sozialer Arbeitsmarkt“ vom 15. März 2010 ( http://www.spd.de/scalableImageBlob/3740/data/20100315_Fairness_auf_dem_Arbeitsmarkt.-data.pdf ) stellt die sozialdemokratischen Forderungen zur Arbeits- und Beschäftigungspolitik dar, die mit dem Konzept „Workfare“, staatliche Transferleistungen an die Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme zu binden, im engeren Sinne nicht zu vereinbaren sind. Erlauben Sie mir die Anmerkung, dass Thilo Sarrazin als Verfechter des „Workfare-Konzepts“ ein schlecht gewähltes Beispiel ist. Sarrazin bewundert zwar das Konzept der USA, spricht sich aber z.B. gegen die pädagogische Qualifizierung von Erziehenden in Kindertagesstätten aus, mit dem Argument, die Ungleichheit der Menschen sei angeboren und Bildungsferne deshalb kaum zu kompensieren.
Ich hoffe, Ihnen ausreichend geantwortet zu haben. Wenn Sie konkrete
Fragen haben, können Sie sich gerne noch einmal an mich wenden
( sebastian.edathy@bundestag.de ).
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB