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Frage von Björn M. •

Frage an Sebastian Edathy von Björn M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Edathy,

ich beschäftige mich beruflich und studienbedingt stark mit dem Themenfeld "Gesundheit".
Mit Erschrecken habe ich den neuen Koalitionsvertrag gelesen, indem die Abkehr der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung ab 2011 beschlossen wurde.
Wie bewerten Sie diese Vereinbarung und welche Möglichkeiten bleiben der Opposition eine unsoziale Politik zu verhindern?
Müssen wir uns auf eine Ausweitung der Privatisierung des Gesundheitswesen in einem liberal geführten Ressort einstellen?

Mit freundlichen Grüßen,

Björn Menze

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Antwort von
SPD

Berlin, 15.12.2009

Sehr geehrter Herr Menze,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Gesundheitspolitik.

Die schwarz-gelb Bundesregierung plant, wie Sie richtig erkennen, einen tiefgreifenden Umbau der Krankenversicherung. Auch wenn im Koalitionsvertrag in den meisten Punkten noch keine konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen vereinbart wurde, ist klar, dass das solidarische Prinzip unseres bisherigen Gesundheitssystems sukzessive abgebaut werden soll. An die Stelle der solidarisch organisierten Finanzierung größerer Lebensrisiken tritt ein Finanzierungsmodell, das den bisherigen gesellschaftlichen Konsens - die Stärkeren stehen für die Schwächeren ein - aufkündigt.

Zu den geplanten Vorhaben der schwarz-gelben Regierungskoalition im Einzelnen: Schwarz-Gelb plant, die Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung dauerhaft einzufrieren. Damit werden die Arbeitgeber aus der paritätischen Finanzierung entlassen und Risiken für die weitere Zukunft, z.B. die Finanzierung neuer, ggf. teurer Behandlungsmethoden, der demographische Wandel oder bisher nicht kalkulierbare gesundheitliche Risiken, einseitig auf die Versicherten verlagert.

Der bisherige einkommensabhängige Arbeitnehmeranteil zur Krankenversicherung soll durch die Einführung einer einkommensunabhängigen „Kopfpauschale“ ersetzt und von den Krankenkassen selbst erhoben werden. Das bedeutet, künftig wird ein Gutverdiener gemessen an seinem Einkommen proportional weniger für seine Krankenversicherung zahlen als schlechter verdienende Arbeitnehmer. Schwarz-gelb plant zwar, dass ein noch nicht näher definierter Sozialausgleich diese Schieflage abmildern soll, dieser würde aber durch den zu erwartenden hohen Verwaltungsaufwand weitere Kosten verursachen. Der Gesundheitsexperte und mein Bundestagskollege Prof. Dr. Karl Lauterbach, MdB, hat errechnet, dass der für die Einführung der „Kopfpauschale“ anstelle der Krankenkassenbeiträge erforderliche Sozialausgleich Steuererhöhungen in Höhe von 35 bis 38 Mrd. Euro notwendig machen würde.

Zudem soll die Wartefrist für den Wechsel von der GKV zur PKV wieder auf ein Jahr verkürzt werden. Gut verdienende, gesunde GKV-Mitglieder werden in stärkerem Maße zur PKV wechseln und damit die Finanzierungsbasis der GKV schmälern. Gleichzeitig soll das Zusatzversicherungsgeschäft exklusiv der PKV vorbehalten werden.

Schwarz-gelb will darüberhinaus den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich abschaffen, der seit der letzten Gesundheitsreform für einen Ausgleich zwischen finanziell stärker belasteten Kassen und weniger stark belasteten Kassen herstellt. Resultat wäre, dass die großen regionalen und bundesweiten Versorgerkassen mit vielen chronisch kranken Versicherten einen großen Teil ihrer Ausgaben nicht mehr decken werden können.

Sehr geehrter Herr Menze: Die von CDU/CSU und FDP angestrebte Entsolidarisierung im Gesundheitssystem ist unverantwortlich, benachteiligt die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft, schließt Schlechtverdiener vom medizinischen Fortschritt aus und birgt so große Gefahren für den sozialen Frieden in unserem Land. Ich hoffe stark, dass die Menschen im Land sich gegen die geplanten Neuerungen wehren und schon bei den anstehenden Landtagswahlen mit ihrer Stimmabgabe ein deutliches Zeichen gegen die Politik von Schwarz-Gelb setzen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB