Frage an Sebastian Edathy von Michael F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Edathy:
Es geht ums Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG).
Ich bin Jahrgang 1956 in Heidelberg als Spross einer bi-nationalen Ehe geboren und aufgewachsen und wurde wie einer der vielen anderen tausenden von Deutschen die auf Grund der Tatsache, dass ihr deutsches Elternteil eine Vagina statt eines Penis hatten staatsrechtlich aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen.
Anfang 1974 ging ich in die USA zum studieren und musste bei meiner Rueckkehr 1980 erstaunt festellen, dass zwar eine Reihe meiner Schicksalsgenossen die deutsche Staatsbuergerschaft durch Erklaerung errungen hatten, dass dies aber, gemaess der Aussagen der zustaendigen Behoerden fuer mich nicht mehr moeglich war.
Ich hielt es dann gerade noch bis 1986 aus in Deutschland, meinem Heimat- und Geburtsland unter meinen allsamt deutschen Verwandten als Auslaender zu leben, hatte dann aber irgendwann die Schnauze voll und bin dann, meinen deutscher Akzent miteingepackt, in die USA gegangen. Ich bin zwar fast jedes Jahr wieder nach Hause zu Besuch gekommen, aber was fuer ein Verhaeltnis soll man den mit einem Land entwickeln, dass einem nur wegen dem "falschen" Geschlechts seines deutschen Elternteils die grundsaetzlichsten Buergerrechte vorenthaelt.
Ich habe mich von Zeit zur Zeit bei den deutschen Konsularbehoerden in New York und Atlanta erkundigt, ob denn Bewegung in das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht gekommen ist. Dies da die momentane deutsche Staatsangehörigkeitsgesetzgebung was die vor dem 1.1.1975 geborenen (Ausgrenz-)Deutschen angeht sowieso gegen das "Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit" und dem "Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" (BGBl. 1985 II, S. 648) verstoesst.
Ich sehe aber, dass dies leider immer noch nicht der Fall ist, bin inzwischen jetzt schon ueber ein halbes Jahrhundert alt, und meine doch, dass es Zeit sei diesen Irrsinn zu regeln.
Wie kommt die Sache denn im Bundestag voran?
MfG
Michael Fisher
Sehr geehrter Herr Fisher,
vielen Dank für Ihre Frage vom 2. Mai 2009 zum Thema Staatsangehörigkeitsrecht.
Wie ich bereits mehrfach öffentlich und auch in diesem Forum betont habe, setze ich mich für die generelle Möglichkeit der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft für vor dem Jahr 1975 geborene Kinder deutscher Mütter ein. Dazu habe ich einen entsprechenden Vorschlag für einen Gesetzentwurf zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) verfasst. Über das weitere Vorgehen wird weiterhin diskutiert, und ich hoffe, dass trotz der Widerstände, die derzeit in der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen bestehen, eine entsprechende Entscheidung durch den Deutschen Bundestag erfolgen wird.
Nochmals zum Hintergrund: Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1974 (BVerfGE 37, 217), das die bis dahin geltende Praxis, dass für die Staatsbürgerschaft des Kindes nur die Nationalität des Vaters maßgeblich ist, für verfassungswidrig und nichtig erklärte, wurde der maßgebliche § 4 des Reichs- und
Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) mit Gesetz vom 21. Dezember 1974 geändert. Danach erwarben eheliche Kinder, die nach dem 1. Januar 1975 geboren wurden, die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn einer der beiden Elternteile Deutsche bzw. Deutscher war.
Nach dem 1. April 1953 und vor dem 1. Januar 1975 geborenen ehelichen Kindern einer deutschen Mutter und eines nicht-deutschen Vaters wurde eine Frist bis zum 31. Dezember 1977 eingeräumt, eine förmliche Erklärung abzugeben, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten wollten. Von dieser Frist haben viele der damals nicht in der Bundesrepublik lebenden Betroffenen keine Kenntnis gehabt und sie daher
versäumt. Trotz zum Teil perfekter deutscher Sprachkenntnisse und dem als Kind einer deutschen Mutter nachvollziehbaren Wunsch, Staatsbürger der Bundesrepublik zu sein, erfolgt für diese Personen entsprechend keine Einbürgerung. Ihrer Schilderung nach trifft dieser Sachverhalt bedauerlicherweise auch auf Sie zu.
Die von mir vorgeschlagene Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes soll die Erklärungsmöglichkeit ohne Frist und weitere Bedingungen wieder herstellen. Grund dafür ist, dass es dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, wenn diskriminierende gesetzliche Regelungen, die offenkundig dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG widersprechen, fortgeführt werden. Zwar wurde nach dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1974 den von der Altregelung Betroffenen eine Erklärungsfrist eingeräumt. Diese war jedoch – wie auch in Ihrem Fall – zu kurz, um die vielfach im Ausland lebenden Betroffenen zu erreichen.
Wie ein solches Einbürgerungsverfahren praktisch ausgestaltet sein sollte, bedarf der weiteren Diskussion. Ich setze mich dafür ein, dass in diesen Fällen eine Möglichkeit der Mehrfachstaatsangehörigkeit geschaffen wird. Es wäre kaum vertretbar, wenn einerseits eine diskriminierende Regelung endlich aufgehoben, aber andererseits zugleich ein Zwang zur Abgabe der ursprünglichen Staatsangehörigkeit begründet würde.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB