Portrait von Saskia Esken
Saskia Esken
SPD
0 %
/ 91 Fragen beantwortet
Frage von Doris J. •

Frage an Saskia Esken von Doris J. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrte Frau Esken,

auf Ihrem Twitter Account vom 1. August ist folgendes zu lesen:

„Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als „die zweite Welle“, ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Unverantwortlich“

Haben Sie sich ebenso despektierlich (z.B. auf Twitter) gegenüber den Abgeordneten des Deutschen Bundestags geäußert, die sich am 3.07.2020 nicht an die Abstandsregeln oder die Maskenpflicht hielten?
Haben Abgeordnete, die sich nicht an Abstandsregeln und Maskenpflicht hielten, einen Bußgeldbescheid erhalten?
Wenn ja, wer und in welcher Höhe?
Wenn nicht, warum nicht?

https://rp-online.de/politik/deutschland/bei-hammelsprung-halten-bundestagsabgeordnete-den-mindestabstand-nicht-ein_aid-52007559

https://twitter.com/EskenSaskia?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1289518034621612032%7Ctwgr%5E&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.nachdenkseiten.de%2F%3Fp%3D63529

Haben Sie sich ebenso despektierlich (z.B. auf Twitter) gegenüber dem Bundespräsidenten Franz-Walter Steinmeier geäußert, der sich am 29.07.2020 nicht an die Abstandsregeln oder die Mundschutzpflicht hielt?

https://www.tageszeitung.it/2020/07/29/aergere-mich-ueber-mich-selbst/

Ich bin es überdrüssig von Politikern mit moralischen Vorgaben gemaßregelt zu werden, die es nicht schaffen, ihre eigenen Vorgaben und Gesetze einzuhalten.

Passen Sie auf sich auf.

Es grüßt Doris Jauch-Keil

Portrait von Saskia Esken
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Jauch-Keil,
in Ihrer Anfrage vergleichen Sie die Missachtung der Corona-bezogenen Hygieneregeln (Mund-Nasen-Schutz, Abstand, usw.) auf der Demonstration in Berlin am 1.8.2020 mit der Missachtung dieser Regeln durch Bundestagsabgeordnete oder den Bundespräsidenten bei unterschiedlichen Anlässen.
Ich sehe da einen bedeutsamen Unterschied: Jeder und jedem von uns passiert es hin und wieder, dass man aus Vergesslichkeit oder Gedankenlosigkeit die Hygieneregeln nicht einhält. Die große Masse aber - und das gilt selbstverständlich auch für unseren Bundespräsidenten und die meisten meiner Kolleg*innen im Bundestag – stellt das Gebot der Hygieneregeln und deren Bedeutung und Wichtigkeit im Kampf gegen die Corona-Pandemie in keinster Weise in Frage.
Die Organisatoren und die Teilnehmer der Corona-Demonstrationen, wie sie am 1.8.2020 in Berlin und anderswo auch an anderen Tagen stattfanden, wenden sich hingegen explizit gegen alle Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie und stellen Corona hier und da als solches infrage. Insofern missachten sie die Hygieneregeln mit voller Absicht und vorsätzlich, Beistehenden wurde „Maske ab!“ entgegengebrüllt.
Das Demonstrations- und Versammlungsrecht ist ein grundgesetzlich verbrieftes Grundrecht und stellt damit eine wichtige Säule der Demokratie dar. Wenn Grundrechte eingeschränkt werden, muss dafür ein hinreichend wichtiger Grund vorliegen, das Gebot der Verhältnismäßigkeit spielt hier eine wichtige Rolle. Zu Beginn der Maßnahmen gegen die Pandemie wurden auch andere Grundrechte eingeschränkt, Kontakte und Bewegungsfreiheit haben uns allen gefehlt. In dieser Zeit war es auch notwendig, die Demonstrationsfreiheit temporär einzuschränken. Umso wichtiger und richtiger war es, diese Einschränkungen so schnell wie möglich aufzuheben.
Doch das Corona-Virus ist und bleibt leider eine Realität. Wir müssen lernen, damit umzugehen und unser Leben daran anzupassen. Bis wir eine sichere Impfung dagegen gefunden haben und möglichst viele Menschen dadurch vor einer Infektion schützen können, wird es auch notwendig sein, bei Demonstrationen und anderswo die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten.
Wer diese vorsätzlich und mit voller Absicht missachtet, gefährdet nicht nur sich und seine Gesundheit, sondern unser aller Gesundheit, riskiert eine zweite Welle und ist mitverantwortlich für die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen dieser Pandemie.
Man kann eine kritische Haltung gegenüber der aktuellen Regierungspolitik einnehmen und diese Kritik auch äußern. Es ist jedoch für mich nicht nachvollziehbar, warum man sich dabei nicht an das geltende Recht und die Auflagen hält. Die Demonstration am 01.08.20 in Berlin hätte auch mit der Einhaltung der Hygieneregeln stattfinden können.

Ich möchte zum Schluss auch auf die unerträgliche Verbindung der Demonstration mit Rechtsextremen aufmerksam machen. Allein der Name der Demonstration “Tag der Freiheit” nimmt sich einen Filmtitel der Regisseurin Leni Riefenstahl zum Vorbild, der den siebten Reichsparteitag der NSDAP 1935 zum Thema hat. Das ist kein Zufall, sondern Symbolik der neuen Rechten in Deutschland. Menschen, die dort demonstriert haben, haben bewusst Seit an Seit mit Rechtsextremen und Faschist*innen demonstriert. Dass man die Corona-Politik der Bundesregierung kritisieren möchte, rechtfertigt nicht, gemeinsam mit rechtsextremen Kräften zu demonstrieren.

Mit besten Grüßen

Saskia Esken

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Saskia Esken
Saskia Esken
SPD