Frage an Saskia Esken von Karl Heinz K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Esken,
warum haben Sie bei der Abstimmung zur Wahlrechtsreform zur Verkeinerung des Bundestages mit nein gestimmt ?
Sehr geehrter Herr Kusch,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Wahlrechtsreform.
Der Deutsche Bundestag ist als gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger das Herz unserer parlamentarischen Demokratie. Hier werden die zentralen gesellschaftlichen Debatten geführt, Gesetze beraten und beschlossen, der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin gewählt und die Regierung kontrolliert. Die SPD-Bundestagsfraktion will sicherstellen, dass der Bundestag diese Aufgaben auch in Zukunft optimal erfüllen kann.
Das Gesetz sieht für den Bundestag eine Regelgröße von 598 Mandaten vor. Bei der nächsten Wahl könnten es nach dem bislang geltenden Bundestagswahlrecht wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten über 800 Mandate werden. Der Bundestag könnte dadurch an die Grenzen seiner Arbeits- und Handlungsfähigkeit stoßen. Deshalb war eine Reform des Wahlrechts nötig.
Da sowohl die interfraktionelle Arbeitsgruppe unter Leitung von Bundestagspräsident Schäuble als auch die intensiven koalitionsinternen Verhandlungen in dieser Legislaturperiode leider ohne Einigung verliefen, wurde das Thema am 25. August 2020 im Koalitionsausschuss behandelt. Die Ausgangslage war sehr schwierig, weil die Vorstellungen für eine sinnvolle und nachhaltige Reform so weit auseinanderliegen.
Kernpunkt unseres bereits im März dieses Jahres vorgelegten Vorschlages war, das Wahlrecht so auszugestalten, dass keine Partei einen einseitigen Vorteil oder Nachteil erleidet. Wir haben uns nachdrücklich für die Begrenzung auf maximal 690 Abgeordnete und für die Einführung der Geschlechterparität bereits bei der Wahl 2021 eingesetzt. Zusätzlich haben wir eine Wahlrechtskommission gefordert, die grundsätzliche Fragen einer Reform des personalisierten Verhältniswahlrechts beraten soll. Die Union hingegen wollte kurzfristig eine Reduzierung der Wahlkreise auf 280 Wahlkreise vornehmen und sich durch den Nicht-Ausgleich von Überhangmandaten jedenfalls aus derzeitiger Perspektive ihren eigenen Vorteil sichern. Aus unserer Sicht effektiveren und notwendigen Maßnahmen hat sie sich verweigert.
Obwohl die Positionen so weit auseinander lagen, war es uns wichtig, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. So haben wir uns im Koalitionsausschuss mit der CDU/CSU auf einen Kompromiss verständigt, der dann als Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde (Bundestagsdrucksache 19/22504, 19/23187) und Gegenstand einer Anhörung am 5. Oktober 2020 war. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 8. Oktober 2020 beschlossen.
Inhalt der nun beschlossenen Wahlrechtsreform sind im wesentlichen vier Punkte, die der Bundestagsvergrößerung entgegenwirken werden und in zwei Schritten erfolgen. Ein bereits dämpfender Effekt für die Wahl 2021 wird zum einen dadurch bewirkt, dass eine Kompensation mit Ausgleichsmandaten erst ab drei Überhangmandaten einsetzt und zum anderen die Überhangmandate einer Partei in einem Bundesland teilweise mit ihren Listenmandaten in einem anderen Bundesland verrechnet werden. Bei der Bundestagswahl 2017 wäre mit diesem Vorgehen eine Absenkung der Gesamtsitze auf bis zu 682 Abgeordnete möglich gewesen (so eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages).
Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 wird die Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 280 vorgenommen. Die kleinere Zahl von Direktmandaten verkleinert den Bundestag nicht nur schon von sich aus, sondern wirkt auch dem Umstand entgegen, dass eine Partei mehr Direktmandate gewinnt als der Landesliste nach dem Zweitstimmenverhältnis zustehen.
Desweiteren wird eine Reformkommission eingesetzt, die sich über die allgemeinen Fragen zur Modernisierung des Wahlrechts hinaus auch mit uns besonders wichtigen Themen wie Parität und Wahlalter befassen und dazu bis zum 30. Juni 2023 Empfehlungen vorlegen wird. Hier erhoffen wir uns weitere Vorschläge, damit das Parlament wieder in Richtung der Regelgröße von 598 Abgeordneten zurückgeführt werden kann.
Bei diesem Ergebnis handelt es sich um einen Kompromiss, aber eine Einigung zu einer Reform musste gefunden werden und wir sind optimistisch, dass so einer weiteren Vergrößerung des Parlaments entgegengewirkt wird und der Bundestag Arbeits- und Handlungsfähigkeit bleibt.
Mit freundlichen Grüßen
Saskia Esken