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Saskia Esken
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Frage von Christian S. •

Frage an Saskia Esken von Christian S. bezüglich Lobbyismus & Transparenz

Sehr geehrte Frau Esken,

ich stelle Ihnen diese Frage als Bundestagsabgeordnete.

Erst vor einigen Tagen wurden die Vertragstexte zur Entschädigung der Kohleunternehmen im Rahmen des Kohleeinstiegsgesetzes veröffentlicht. Das Wirtschaftsministerium weigert sich jedoch Auskunft über die Gründe für Entschädigungen zu nennen. https://www.de.clientearth.org/absprachen-mit-kohlelobby-juristinnen-fordern-transparenz-per-eilverfahren/ .

Es herrscht viel Unklarheit auch über die Frage, ob Zahlungen mit EU-Recht kompatibel sind. Wie werden Sie sicherstellen, dass Sie am 03.07. im Sinne des Gemeinwohls abstimmen können. Was tun Sie als Abgeordnete, damit sich ein Debakel zu Lasten des Steuerzahlers wie bei der Maut nicht wiederholt.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Steiner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Steiner,

Vor der Sommerpause sind wir im Bundestag einem in der Kohlekommission erarbeiteten Konsens gefolgt und haben uns mit Beschluss des Kohleausstiegsgesetz auf den Weg gemacht, die Kohlenutzung zu beenden und damit einen weiteren, dringend notwendigen Schritt in ein postfossiles Zeitalter zu tun. Es gab viele kritische Stimmen zu diesem Gesetz, vor allem von Seiten der Klimaschutzbewegung, die ich sehr ernst nehme. Deswegen möchte ich meine Entscheidung erläutern.
Die SPD hat mit dem Kohleausstieg lange gehadert und gerungen. Ich bin sehr froh, dass Andrea Nahles beim Debattencamp im Jahr 2018 in Berlin deutlich gemacht hat, dass an einem Kohleausstieg kein Weg vorbeiführt, dass es aber an uns Sozialdemokraten ist, diesen Ausstieg sozialverträglich und zukunftssicher zu gestalten.
Eine gewisse Parallele zum Atomausstieg ist dabei nicht von der Hand zu weisen: Über viele Jahre hinweg hat Deutschland einen erbitterten Streit über die friedliche Nutzung der Kernenergie geführt. Während ich und tausende andere Menschen in Initiativen und auf der Straße gegen die Kernenergienutzung gekämpft haben, hat die „etablierte“ Politik lange daran festgehalten. Das war ein harter Kampf, aber am Ende hat es sich gelohnt! SPD und Grüne haben vor 20 Jahren gezeigt, wie man den notwendigen Abschied von einer schädlichen Technologie mit der Energiewende verbinden und im gesellschaftlichen Konsens organisieren kann. So sehen wir unsere Rolle auch heute. Die damalige schwarz-gelbe Regierung hätte diesen Atomausstieg, der bis 2021 abgeschlossen sein sollte, mit ihrem Ausstieg aus dem Atomausstieg übrigens fast völlig aus dem Takt gebracht. Erst die Fukushima-Katastrophe (und die Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg, in der die Grünen vor der CDU landeten) brachte sie zur Vernunft. Dennoch war der Markt der Erneuerbaren Energien nachhaltig beschädigt.
Auch der Ausstiegspfad für die Kohle muss letztlich mit der gesamten Gesellschaft verhandelt werden, aber auch in der Regierung. Unser Koalitionspartner ist diesmal allerdings die Union. Die Kohlekommission, in der die Energiewirtschaft ebenso wie Industrieverbände, Gewerkschaften, Umweltverbände und die Wissenschaft beteiligt waren, hat empfohlen, schrittweise bis 2038 aus der Kohle auszusteigen. Viele in- und außerhalb der SPD und auch ich könnten sich gut vorstellen, das schneller zu machen, und in Verantwortung für nachfolgende Generationen und für den Planeten müsste man das sogar. Ich kann alle Ungeduld und sogar den Zorn sehr gut verstehen.
Wir können den Schalter aber nicht einfach umlegen und die Kraftwerke von heute auf morgen abschalten. Zum einen würden die Entschädigungen, die die Betreiber für die Abschaltung von Meilern vor Ende der genehmigten Betriebsdauer erhalten, dann noch höher ausfallen. Zum anderen sind wir beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Speichertechnologie nicht weit genug fortgeschritten, dass wir auf schnell zuschaltbare Kraftwerke von heute auf morgen verzichten könnten.
Damit beim Ausstieg aus der Kohle nach dem Ausstieg aus der Atomkraft nicht „die Lichter ausgehen“, müssen wir also massiv in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investieren und Alternativen für die Industrie entwickeln. Zudem braucht es erhebliche Anstrengungen und Investitionen in den Strukturwandel der vom Kohleausstieg betroffenen Regionen, und die Menschen und ihre Strukturen benötigen Zeit und all unsere Unterstützung, um neue Perspektiven für sich und ihre Region zu entwickeln.
Dazu kommt auch die Realität der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag, die so wenig zu leugnen ist wie der Klimawandel. Anders als dessen Physik kann man diese Realität jedoch politisch verändern.
Manche sagen jetzt: „Lieber kein Kohleausstieg als dieser Kohleausstieg“. Ich finde aber, das ist ein bisschen wie „Lieber nicht regieren als falsch regieren“. Das kann doch nicht die Devise sein, wenn man die Sorge um die Zukunft des Planeten ernst nimmt. Meine KollegInnen in der SPD haben hart verhandelt, und ich kann mit Überzeugung sagen: Wir erreichen weit mehr als Nichts.
Wir stehen weiter zum Pariser Klimaabkommen und dessen Zielen. Das Klimaschutzgesetz verpflichtet uns, die Maßnahmen zu schärfen, wenn sie die gesteckten Ziele nicht erreichen. Es war uns wichtig, dass der Kompromiss keiner ist, der uns auf ewig die Hände bindet. Deshalb sieht das Kohleausstiegsgesetz in den Jahren 2022, 2026, 2029 und 2032 Überprüfungspunkte vor, die auch die Einhaltung der Klimaschutzziele beinhalten.
Unser Land, unsere politischen und gesellschaftlichen Strukturen sind auf Ausgleich und Konsens gebaut, und das macht uns stark. Und deshalb habe ich das Vertrauen, dass uns die sozial-ökologische Wende gelingt.

Beste Grüße

Saskia Esken

 

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