Frage an Sarah Ryglewski von Reinhard L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag, Frau Ryglewski,
Im Oktober steht die Verlängerung des Bundeswehrmandates Syrien an. Wie werden Sie abstimmen?
Die Deutsche Bevölkerung ist mehrheitlich gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr, und wenn man die Ergebnisse aller Einsätze ansieht, waren sie fast alle verheerend. Auch verstießen sie fast alle gegen das Völkerrecht. Wie sehen sie dies im Fall von Syrien? Auf welcher völkerrechtlichen Grundlage ist eine Beteiligung der Bundeswehr zu rechtfertigen?
Nach gründlicher Prüfung müssten Sie, auch im Sinne Ihrer Wähler dagegen abstimmen.
R. L., parteilos - Hausarzt im Ruhestand - IPPNW - mehrere Einsätze mit "Ärzte ohne Grenzen" in Afrika - ehrenamtlich in der Flüchtlingsintegration engagiert
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Die von Ihnen angesprochene Abstimmung betraf Einsätze der Bundeswehr sowohl in Syrien als auch im Irak (Bundestag-Drucksache 19/4719). Ich bedauere, dass Sie meine Antwort erst jetzt erreicht und entschuldige mich dafür. Auch wenn Ihre Anfrage bereits länger her ist, hat das Thema nach wie vor eine hohe Aktualität.
Nach sorgfältiger Abwägung und unter Berücksichtigung der bisherigen Auswirkungen des Einsatzes zur Bekämpfung des IS-Terrors und zur Stabilisierung des Irak, stimmte ich dem vorliegenden Mandat zu.
Der Antrag sah vor, den Einsatz der Aufklärungs- und Tankflugzeuge im Rahmen des Anti-IS-Mandates zum 31. Oktober 2019 zu beenden und das Ausbildungsmandat der Bundeswehr im Zentralirak unter Vorbehalt zu verlängern. Sollte die damals neu gewählte irakische Regierung unter Einbeziehung des irakischen Parlaments die Einladung an Deutschland und die geltenden Truppenvereinbarungen bis zum 30. April 2019 nicht in geeigneter Form bestätigen, wird das Ausbildungsmandat zum 31. Oktober 2019 abgebaut und beendet.
Erstmals wird damit in der Mandatierung von Auslandeinsätzen festgelegt, dass für die Entsendung der Bundeswehr nicht nur die Zustimmung der ausländischen Regierung, sondern explizit auch die Einbeziehung des nationalen Parlaments in den politischen Willensbildungsprozess gewünscht ist.
Der Beteiligung am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (bzw. IS oder Da’esh) in Syrien und im Irak stand ich stets kritisch gegenüber und halte nur eine nachhaltige, politische Gesamtlösung für zielführend. Mein größter Kritikpunkt war von Anfang an die Tatsache, dass Mandate ohne klare Strategie, insbesondere gegenüber dem Staat Syrien, die Gefahr neuer unkalkulierbarer Konflikte bergen, weil die Lage in den irakischen und syrischen Gebieten von kulturell-religiösen Konflikten und politischen Interessensgegensätzen geprägt ist.
Bei der letzten Bundestagsentscheidung zur Mandatsverlängerung im März, bei der die Zahl deutscher Soldaten signifikant von 1.200 auf 800 reduziert und die Aufgaben des Einsatzes prioritär auf Aufklärung, See- und Luftraumüberwachung zum Zweck des Austausches der internationalen IS-Koalition und intensivere Ausbildungsarbeit („Train the Trainers“) begrenzt wurde, habe ich deshalb am 26.03.2018 erklärt, dass ich künftige Abstimmungen davon abhängig mache, dass der Einsatz nur eingebettet in eine langfristige Gesamtstrategie verschiedener Maßnahmen zur Terrorbekämpfung und Stabilisierung der Region funktionieren kann.
Die Bundesregierung stimmt die außen-, entwicklungs- und sicherheitspolitischen sowie militärischen Maßnahmen gegen das Wiedererstarken des IS, für die Überwindung innerpolitischer Konflikte, die Stabilisierung der Region und die Schaffung von Bleibe- und Rückkehr-Perspektiven eng in der EU, der NATO, den Vereinten Nationen und der 2014 gegründeten internationalen Anti-IS Koalition 2014 ab. Die Bedrohung des Weltfriedens durch die Terrororganisation ist noch nicht beendet. Doch hat unter anderem der vernetzte strategische Ansatz entscheidend dazu beigetragen, dass die territoriale Herrschaft des IS im Irak im Dezember 2017 überwunden werden konnte. Inzwischen konnten zwei Drittel der Binnenvertriebenen – etwa vier Millionen Menschen – nach der Befreiung ihrer Heimat vom IS, zurückkehren.
Essenziell ist auch die gemeinsame EU-Strategie für den Irak vom 08.01.2018 mit dem Schwerpunkt auf eine Fortsetzung der humanitären Hilfe zugunsten der irakischen Bevölkerung, Stabilisierung der vom IS befreiten Gebiete und langfristigen Bemühungen um Reformen, Wiederaufbau und Aussöhnung, um den Frieden zu festigen und den Weg für ein geeintes, demokratisches Land zu bereiten.
Ein Abziehen der Bundeswehr zum damaligen Zeitpunkt stand zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Ziel der Stabilität in der Region und der Chance auf Vermittlung und Befriedung entgegen. Gleichzeitig entschieden wir im Oktober, dass die vorgesehenen Kräfte nur solange eingesetzt werden, wie die völkerrechtlichen Voraussetzungen und die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegen, längstens bis 31.10.2019.
Nur mit einem langfristigen, gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, der irakischen Bevölkerung durch Terrorismusbekämpfung, Wirtschaftsreformen, Korruptionsbekämpfung, Aufarbeitung von Verbrechen und humanitäre Aufbauhilfe wieder Zukunftsperspektiven zu bieten.
Mit freundlichen Grüßen
Sarah Ryglewski