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Frage von Lukas N. •

Frage an Sahra Mirow von Lukas N. bezüglich Wirtschaft

Liebe Frau Mirow,
wie würden Sie Ihre politische Position zum Thema "bedingungsloses Grundeinkommen" definieren?
Herzlichen Dank für Ihre Antwort.
Lukas Nerge

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr N.,

vielen Dank für die Frage, das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommen
hat mich stets fasziniert. Meine Partei DIE LINKE setzt sich mit dem Thema bGE kontrovers auseinander und fordert auch die Einsetzung einer entsprechenden Enquete-Kommission.

Ich persönlich bin eine entschiedene Befürworterin eines bGE. Nicht weil ich denke, dass ein solches Grundeinkommen alle Probleme lösen oder zu einer weltweit gerechteren Ressourcenverteilung führen würde. Aber ich halte es für einen (recht großen) Schritt in die richtige Richtung.

Denn unstrittig dürfte sein, dass sich der zukünftige Arbeitsmarkt grundlegend verändern wird. Was an sich ja eine gute Sache wäre, wird von vielen aber als Bedrohung gesehen: der absehbare Wegfall eines beträchtlichen Anteils von Arbeitsplätzen. Nun wird argumentiert, dass dafür neue Arbeitsplätze entstünden, doch ist es unrealistisch, dass die neuen Jobs im Dienstleistungssektor den prognostizierten Wegfall in der Industrie kompensieren werden. Unterm Strich werden bezahlte Arbeitsstunden abnehmen und solange die materielle Teilhabe an Erwerbsarbeit gekoppelt ist, wird es hier unweigerlich zu einem Verteilungsproblem kommen.

Das bedeutet für mich zu einen, dass wir eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich brauchen, um die weniger-Arbeit und die daraus gewonnen freie Zeit als gesellschaftlichen Wohlstand gerecht zu verteilen. Die Reduktion notwendiger Arbeit durch den Einsatz von Maschinen muss also der Allgemeinheit zu Gute kommen und nicht nur den Produktionsmittelinhabern.

Zum anderen sehe ich in der Entkopplung von Erwerbsarbeit und materieller
Teilhabe eine Möglichkeit, den Menschen aus dieser Abhängigkeit zu befreien und bis dato nicht genutzte Energien, gerade auch im sozialen und kulturellen Bereich, freizusetzen. Die Befreiung vom Zwang, im Zweifelsfall auch jeden noch so mies bezahlten Job annehmen zu müssen, kann weitreichende positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt als Ganzes haben. Wir brauchen wieder mehr Wettbewerb am Arbeitsmarkt - und zwar um gute Arbeitsbedingungen und Entlohnungen, die den Wert einer Arbeit auch gerecht werden. Ich denke hier insbesondere an die Krankenschwestern und Pfleger, an die Grundschullehrerinnen und -lehrer. An all die gesellschaftlich wichtigen Berufe, die das aber nicht durch ihre Entlohnung ausgedrückt bekommen. Deswegen ist es wichtig zu betonen, dass ein bGE auch immer mit einem flächendeckenden und auskömmlichen Mindestlohn verknüpft sein muss, um eben nicht den neoliberalen Wirtschaftskreisen auf den Leim zu gehen, die das bGE gerne als Lohnzusatzleistung einführen würden, um so alle Sozialleistungen abzugelten und dafür die Löhne in den Boden zu drücken.

Ein linkes bGE muss auch immer eine Umverteilungskomponente haben. Bei der
Finanzierung muss klar sein, dass sehr hohe Einkommen auch deutlich stärker belastet werden als kleine und mittlere. Das bGE muss zudem den vier Kriterien entsprechen: es muss bedingungslos sein im Sinne eines individuellen Rechtsanspruchs, es muss existenzsichernd sein und die sozio-kulturelle Teilhabe garantieren, es muss ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zur Arbeit oder ähnlicher Gegenleistung gezahlt werden.
Es gibt wie gesagt verschiedene Ansätze eines bGE. Bei einigen muss man höllisch aufpassen, denn sie würden eher zu einer Verschlechterung führen, z.B. als Lohnersatzleistung oder work fare. Bei einem linken bGE, das bedarfsdeckend und umverteilend ist denke ich aber, dass die gesellschaftlichen Möglichkeiten enorm wären. Auf jede bezahlte Arbeitsstunde kommen jetzt schon etwa zwei unbezahlte Arbeitsstunden. Ein bGE könnte genau diese Energie freisetzen und den Menschen Perspektiven über die Abhängigkeit vom derzeitigen Arbeitsmarkt mit seinem wuchernden Niedriglohnsektor hinaus geben.

Es könnte ein recht großer Schritt in die richtige Richtung sein, wenn die Konzeption stimmt. Diese aber muss das Resultat einer gesamtgesellschaftlichen Debatte sein und ich freue mich, dass die Diskussionen rund um das bGE und damit auch um die Frage, wie wir künftig leben wollen, zunehmen.

Mit besten Grüßen
Sahra Mirow