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Sabine Wölfle
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Frage von Günther M. •

Frage an Sabine Wölfle von Günther M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Wölfle,

bei der langjährigen Planung des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofes hat die SPD des Landes mitgewirkt und alle Planungsentscheidungen mitgetragen. Im Vorfeld der Landtagswahlen hat die Partei plötzlich einen Volksentscheid gefordert und sich in meinen Augen unglaubwürdig gemacht. Würde die Partei im Falle einer Aufnahme der Türkei auch eine Volksbefragung fordern?. Es ist doch sicherlich bekannt, dass die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eine Mitgliedschaft der Türkei ablehnt.
Was ist Ihre Meinung zu Stuttgart 21 und zu einer Volksabstimmung über eine Mitgliedschaft der Türkei in der Eu?

Mit freundlichem Gruß
Günther Misenta

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Misenta,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.
Die Frage zur Stuttgart 21 hat die SPD schon viele Jahre beschäftigt, das Projekt war immer umstritten. Als Volkspartei haben wir unterschiedliche Meinungen auch innerhalb einer Partei nicht nur zu akzeptieren sondern müssen uns damit auch auseinandersetzen. Für mich ist es kaum nachvollziehbar, dass nur in der SPD zu S21 heftig diskutiert wurde, die anderen Parteien scheinen ja alle einer Meinung zu sein. Ist das glaubwürdig? Geht es darum, Machterhalt zu sichern oder geht es darum, komplett dagegen zu sein, um die Macht zu bekommen? Ich halte uns da für glaubwürdiger, weil wir in unserer Diskussion pro oder contra S21 ein Spiegel der Gesellschaft sind und auch offen damit umgegangen sind.
Warum wir aber eine Volksabstimmung wollen, ist einfach zu erklären. Obwohl S21 durch alle Instanzen legitimiert wurde, u.a. auch unter Beteiligung der Bürger, hat das Verfahren zu lange gedauert. Die Bürger, die bei den ersten Offenlegungen und Informationenveranstaltungen dabei waren, sind jetzt nicht zu 100 % diejenigen, die protestieren. Es sind vielfach jüngere Menschen, die sich gar nicht haben einbringen können. Hinzukommt, dass den Stuttgartern den im Bürgermeisterwahlkampf versprochene Bürgerentscheid unter sehr fragwürdigen Umständen vorenthalten wurde und so ein wichtiger Teil der Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger gar nicht stattfind. Entscheidend ist aber die Frage, ob das Land mit geballter Staatsmacht ein solches Projekt über viele Jahre hinweg durchführen kann und wir einfach ignorieren, dass dort jede Woche Tausende Menschen protestieren. Die Schlichtung mit Heiner Geißler war eine Farce, die Landesregierung hat ja hinterher deutlich gemacht, sie hätte einen Schlichterspruch gegen S21 niemals umgesetzt.
Wie also lösen wir diesen Konflikt auf? Nur durch eine demokratischen Entscheidung durch die Bürger selber. Eine Volksabstimmung bietet die Chance, für beide Seiten erneut für ihre Position zu werben. So würde auch die SPD deutlich für S21 werben, aber als demokratische Partei auch akzeptieren, dass es innerhalb der Partei auch Gruppen gibt, die dagegen werben. Unsere Mitglieder sind frei in ihrer Entscheidung. Wenn die Bürgerinnen und Bürger dann abgestimmt haben, hat das Projekt entweder eine klare Legitimation oder nicht. In der Schlussfolgerung heißt das aber auch, die Seite, die verloren hat, muss das auch akzeptieren. Das ist für uns selbstverständlich. Man darf aber nicht übersehen, dass die Volksabstimmung über den Anteil des Landes abstimmt, nicht über das Gesamtkonzept. Die Bahn hat Baurecht und was sie macht, wenn das Land sich aufgrund eines negativen Ausgangs der Abstimmung aus der Finanzierung herauszieht, steht nicht fest. Es würde aber für Bund und Bahn deutlich schwieriger, ohne die finanzielle Beteiligung des Landes weiterzubauen.

Zum EU-Beitritt der Türkei: zunächst bin ich pers. grundsätzlich dafür, wenn rechtsstaatliche Voraussetzungen in der Türkei erfüllt werden. Menschenrechte,
verlässliche Justiz, Frauenrechte, Religionsfreiheit usw. sind die Basis. Vieles davon gibt es zwar in der Türkei, aber die Umsetzung ist oft nicht das, was wir als Europäer darunter verstehen.
Nach meinem Wissen können wir diese Frage nicht nationalstaatlich klären, weil wir als Mitgliedsland der EU uns der Mehrheit der Mitgliedsstaaten anpassen müssen. Eine Volksabstimmung in Deutschland hätte demnach in der EU keinerlei rechtliche Bedeutung.

Ich hoffe, Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und grüße Sie herzlich.

Sabine Wölfle