Frage an Rüdiger Veit von Frank P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
SPD und Pressefreiheit
Sehr geehrter Herr Veit,
das Publik - Forum Nr. 19 meldet, dass der ehem. Chefredakteur der FR, Storz, von Wettig-Danielmeier "nach amerik. Muster" entlassen wurde, weil er
a) zu freundlich über die LINKE berichten ließ
b) einen LINKEN-kritischen Artikel, den W.-D. ihm zuschickte, nicht drucken wollte, weil er der Meinung war, dass der Geldgeber nicht den Inhalt des Blattes zu bestimmen habe.
Frage:
a) stimmt das?
b) wenn ja, was nun?
Mit den besten Grüßen
von Pohlheim nach Berlin
Frank Pötter
Sehr geehrter Herr Pötter,
die SPD ist die einzige deutsche Partei mit der Erfahrung des Verbots und der Verfolgung: Von 1878 bis 1890 und von 1933 bis 1945 war die SPD verboten, hinzu kommt die Verfolgung von Sozialdemokraten in der SBZ und der DDR von 1946 bis 1989.
Diese Zeiten sind auch Erfahrungen von der Wichtigkeit der Meinungs- und Pressefreiheit: Durch eigene Publikationen eine Gegen-Öffentlichkeit herstellen zu können hat für uns Sozialdemokraten eine wichtige, kritische Funktion. Aus diesem Grunde spricht für uns nichts Prinzipielles gegen Medienbeteiligungen, zumal auch viele Zeitungen ohne eine solche direkte Verbindung mit eindeutiger politischer Tendenz auftreten.
In einer gewachsenen und stabilen Demokratie wie der bundesdeutschen gewinnt freilich die unabhängige Redaktion von Zeitungen eine besondere Bedeutung: Neben der Darstellung der eigene Position besteht ein großes Interesse auch an der Kritik der eigenen Position. Nur wer sich selbst kritisch hinterfragen lässt und hinterfragt, ist davor gefeit, sich politisch zu verirren.
Daher haben die Medienbeteiligungen der SPD heute eine andere Funktion: Sie sind über die "Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft" (DDVG) mit Sitz in Hamburg organisiert. Deren Beteiligungen und Tätigkeiten, Wirtschaftsdaten und Geschäftsberichte können im Web unter www.ddvg.de angesehen werden. Die DDVG dient heute unter anderem der steuerunabhängigen Selbstfinanzierung der SPD. Die Verbindung von DDVG und SPD kommt auch durch die Generaltreuhandschaft der jeweiligen Schatzmeisterin oder des Schatzmeisters der SPD zum Ausdruck - bis zum Oktober diesen Jahres war das Inge Wettig-Danielmeier, heute ist es Barbara Hendricks.
Die DDVG übernahm im Mai 2004 die in erhebliche finanzielle Nöte geratene Frankfurter Rundschau zu 90 Prozent, um diese kritische unabhängige Tageszeitung zu erhalten. Von vornherein wurde diese Mehrheits-Beteiligung als etwa zweijährige Übergangssituation eingegangen, und im Juli 2006 zog sich die DDVG deshalb auch auf einen 40 Prozent-Anteil zurück.
Natürlich nehmen Anteilseigner auch Einfluss auf die Ausrichtung einer Zeitung - in aller Regel aus ökonomischem Interesse. So blieb auch die FR von massiven Umstrukturierungen nicht verschont - aber in die finanzielle Krise war die Zeitung bereits vor dem DDVG-Engagement geraten. Daraus musste ein Ausweg gefunden werden. Inwiefern die Maßnahmen zu diesem Zweck geeignet sind, kann ich nicht beurteilen.
Von der Gesellschafterfunktion der SPD in der DDVG allerdings auf einen direkten Eingriff in die Redaktionsarbeit für oder gegen einen ganz bestimmten Artikel zu schließen, halte ich für vollkommen abwegig, denn dies verlangte ja, dass sich die treuhänderische Gesellschafterin der SPD über die tägliche Arbeit der Presseorgane (neben zahlreichen Zeitungen sind dies auch Radiosender etc.) auf dem Laufenden hielte.
Um auf diese Weise Ihre Fragen abschließend ehrlich zu beantworten: Wissen tue ich es nicht, aber ich kann es mir nicht vorstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Veit