Frage an Rudolf Henke von Wolfgang A. bezüglich Entwicklungspolitik
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Henke,
Sie sind nicht nur Mitglied im Bundestag für die Fraktion der auf christlichen und sozialen Werten basierenden CDU/CSU, sondern auch Internist und Präsident der Ärztekammer Nordrhein.
Ich möchte von Ihnen gerne wissen, wie Sie als Arzt ethisch dazu stehen, dass Frau Merkel die Freigabe von Impfstoff-Patenten ablehnt und warum Ihre Partei dem nicht entschieden widerspricht.
Patentschutz ist im Allgemeinen sicher gut und richtig, aber bei einer weltweiten Pandemie, wo täglich Menschen sterben und auch wir durch neu aufkommende Varianten weiterhin gefährdet sind, muss der Gesundheitsschutz über allem stehen und sollten geeignete Labore weltweit die Möglichkeit bekommen, durch die Freigabe der Patente Impfstoffe selber herzustellen.
Immer neue auch uns betreffende Varianten, wie jetzt die Delta-Variante, werden wir nur dann bekämpfen und verhindern können, wenn global schnell geimpft wird, wozu es der Freigabe des Patentschutzes bedarf. Insbesondere ist die Blockadehaltung für mich auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die hohen Entwicklungskosten durch staatliche Fördermittel in dreistelliger Millionenhöhe und die Einnahmen durch die Impfstoffdosen mit hoher Wahrscheinlichkeit längst mehrfach wieder hereingekommen sind.
Für mich ist das Verhalten von Frau Merkel mit christlichen und sozialen Werten in keinster Weise vereinbar, zumal wir nicht wissen, welche Varianten noch auf uns zukommen, wenn nicht schnellstens global geimpft und auf den Patentschutz verzichtet wird. Das wichtigste Gebot sollte doch wohl sein, weltweit Menschenleben zu retten, bevor wir von einer neuen Welle erfasst werden, gegen die die bisherigen Impfstoffe möglicherweise nicht mehr wirken.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Adamek
Sehr geehrter Herr Adamek,
verbindlichen Dank für Ihre Frage vom 5. Juli, die sich auf die globale Versorgung mit COVID-19-Impfstoffen bezieht.
Aus dem Unterausschuss Globale Gesundheit des Deutschen Bundestages kann ich berichten, dass wir seit Beginn der Corona-Pandemie in fast jeder Sitzung über die globale Lage beraten haben und die teilnehmende Bundesregierung stetig in ihrem internationalen Engagement bestärkt haben. Der Titel, den das frühe Sofortprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von April 2020 trägt, ist ohne Frage weiterhin richtig: „Corona besiegen wir nur weltweit oder gar nicht“. Deshalb hat meine Fraktion so den Bundeshaushalt mitgestaltet, dass Deutschland sich als zurzeit zweitgrößter Geber in den internationalen „Access-to-COVID-19-Tools Accelerator“ (ACT-A) mit seiner Impfstoffplattform COVAX einbringen kann. Vor lauter Kritik an der Impfstoffstrategie der EU hat leider wenig Beachtung gefunden, dass wir im Gegensatz zu anderen globalen Akteuren einen gezielt multilateralen Ansatz gewählt haben. Ende Mai wies der EU-Außenbeauftragte Borrell meines Erachtens völlig zurecht darauf hin, dass die EU rund 240 Millionen Impfdosen in 90 Länder exportiert habe. Das entspreche in etwa der Zahl der bis dahin in der EU verwendeten Dosen. Erst gestern bekräftigte das Bundeskabinett, dass es sich für einen fairen weltweiten Zugang zu COVID-19-Impfstoffen einsetzt und so schnell wie möglich Impfdosen an Drittstaaten abgeben will, insbesondere an Entwicklungsländer.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält den weltweiten Ausbau von Produktionskapazitäten sowie die zahlreichen Kooperations- und Lizenzvereinbarungen von pharmazeutischen Unternehmen für einen besseren Ansatz, um die Produktion und globale Verteilung von COVID-19-Impfstoffen kurzfristig zu befördern. In Deutschland denke ich zum Beispiel an den neuen Produktionsstandort von Biontech in Marburg, mit dem der Hersteller schon im ersten Halbjahr 250 Millionen Dosen des Impfstoffes beisteuern wollte. Wir stehen daher auch hinter der „Taskforce Impfstoffproduktion“ der Bundesregierung, die sich um die Förderung entlang der gesamten Wertschöpfungskette kümmert und Originalhersteller von Impfstoffen mit Lizenznehmern vernetzt. Insbesondere die Herstellung von mRNA-Impfstoffen ist komplex, vielschrittig und unter höchsten Sicherheitsstandards durchzuführen.
Das Parlamentarische Begleitgremium COVID-19-Pandemie des Deutschen Bundestages, dem ich vorsitzen darf, hat am 3. Juni eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Thema durchgeführt. Ich möchte aus der schriftlichen Stellungnahme zitieren, die Prof. Dr. Axel Metzger von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin zur Anhörung verteilen ließ: „Als Fazit kann festgehalten werden, dass eine pauschale Aussetzung des Patentschutzes auf nationaler oder internationaler Ebene in der aktuellen Situation niemandem helfen, mittel- und langfristig aber die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich entscheidend schwächen würde. Zwangslizenzen und Benutzungsanordnungen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angezeigt. Sollte es in naher oder fernerer Zukunft zu einer Blockade der Impfstoff- und Medikamentenherstellung durch Patente kommen, sind die rechtlichen Instrumente aber vorhanden und – jedenfalls auf der nationalen Ebene – auch erprobt.“ Diese Argumentationslinie sowie das deutsche Engagement bei kurzfristigen Impfstofflieferungen in die Staaten des globalen Südens haben meine Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke MdB