Frage an Rudolf Henke von Christof K. bezüglich Gesundheit
Das Infektionsschutzgesetz soll derart geändert werden, dass die föderalen Landesregierungen entmachtet, und durch die Bundesregierung übergangen werden können. Die anvisierten Regelgrößen (Inzidenz, r-wert) basieren auf PCR Tests, welche unzuverlässig und laut WHO (vgl. Wiener Urteil) als Nachweis für eine Infektion nicht geeignet sind. Die daraus resultierenden Lockdowns sind laut WHO kein probates Mittel. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit äußert auch Jens Gnisa, Richter und Ex-Vorsitzender des Deutschen Richterbundes. Wie sehen Sie die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit hinsichtlich Regelgrößen und Maßnahmen bei der Änderung des IfSG §28b begründet?
Sehr geehrter Herr Köhler,
Ihre Nachricht vom 14. April bezog sich vermutlich auf den Entwurf der Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag für ein „Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 13. April (Drucksache 19/28444). Im parlamentarischen Verfahren, das am 21. April mit der Schlussabstimmung im Plenum endete, haben die Fraktionen einige Änderungen am Regelungsinhalt vorgenommen. Dies will ich hier berücksichtigen.
Die Landesregierungen sind durch das Einfügen von Paragraf § 28b in das Infektionsschutzgesetz weder rechtlich entmachtet noch aus ihrer vollziehenden Verantwortung entlassen. § 28b definiert nun von Bundesseite ein Mindestmaß an einheitlichen Maßnahmen, die ab einer stabilen 7-Tage-Inzidenz pro Landkreis oder kreisfreier Stadt greifen. Davon unabhängig sind die Landesregierungen weiterhin ausdrücklich befugt und gefordert, je nach Lage noch strengere Maßnahmen des Infektionsschutzes zu initiieren sowie die Verordnungspraxis für Phasen ohne Gültigkeit der neuen Bundesregelung im eigenen Landesgebiet zu gestalten (gemäß § 32 Absatz 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 28a IfSG). Außerdem sind die neuesten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes letztlich so ausgefallen, dass die Landesregierungen über den Bundesrat sowohl an anpassenden Rechtsverordnungen der Bundesregierung (siehe § 28b Absatz 6) als auch an Verordnungen zu „besonderen Regelungen für Geimpfte, Getestete und vergleichbare Personen“ (siehe § 28c) mitzuwirken haben. Bundesrat und Bundestag müssen in beiden Fällen zustimmen.
Infektionskrankheiten verbreiten sich seit jeher durch menschliche Kontakte. Deshalb gibt es keinen medizinisch-wissenschaftlichen Zweifel, dass Kontaktreduktion im alltäglichen Miteinander ein sehr probates Mittel zur Eindämmung darstellt. Gerne weise ich hier auf eine Erklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, vom 28. Januar 2021 hin: „Lockdowns, die eingeführt wurden, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, insbesondere die leichter übertragbaren neuen Varianten, haben in allen Teilen der Region zu einem Rückgang der Fallzahlen geführt: 30 Länder verzeichnen einen erheblichen Rückgang der 14-Tages-Inzidenzwerte. […] Die Eindämmung der Übertragung erfordert anhaltende und konsequente Anstrengungen.“ Im Übrigen hat die WHO nicht erklärt, dass PCR-Tests zum direkten Nachweis des Coronavirus ungeeignet seien. Die WHO wies lediglich auf die korrekte Ausführung und Interpretation hin, insbesondere im Umgang mit sogenannten Ct-Werten. Das RKI erläutert seit Langem völlig transparent, dass unklare oder unplausible Ergebnisse einer PCR-Testung sorgfältig ärztlich zu prüfen sind.
Der Inzidenzwert ist unser frühester Indikator für negative Folgeeffekte im Gesundheitswesen. Er bietet die größte Chance, dem Anstieg der Krankheitsfälle, der Krankenhausfälle und der Intensivfälle mit entsprechenden Maßnahmen entgegenzuwirken. Daran muss sich die staatliche Schutzpflicht von Leben und Gesundheit orientieren, die sich auch auf das Vermeiden sowohl von schweren und tödlichen Verläufen als auch von milderen Erkrankungsverläufen und vermeidbaren „Long Covid“-Erkrankungen erstreckt.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke MdB