Frage an Rudolf Henke von Daniel G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Henke,
wie ich bei Wikipedia las, sind Sie neben Ihrer parteipolitischen und Abgeordneten-Arbeit u.a. als Funktionär des Marburger Bundes tätig und Präsident der Ärztekammer Nordrhein.
Der Internetauftritt der Ärztekammer enthält einen interessanten Beitrag des Linguisten Dr. Sascha Bechmann von der HHU Düsseldorf über Probleme der bekanntlich oft folgenreich gestörten Arzt-Patientenkommunikation (1). Der Seite 19 dort ist zu entnehmen, dass die verbale Kommunikation nur 15 Prozent der gesamten ausmache, während nonverbale und paraverbale mit 55 bzw. 35% (!) zu Buche schlagen würden.
Mir kommen drei Fragen:
1. Welche Meinung vertreten Sie zu der Frage, ob es auch bei Begutachtungen z.B. durch Psychiater Probleme mit der nonverbalen bzw. paraverbalen Kommunikation geben könnte oder wieso nicht?
2. Wären solche Probleme Ihrer Meinung nach nur durch den Probanden verursacht oder könnten Sie sich vorstellen, dass auch der Gutachter Schwierigkeiten auf verbalen oder/ und para/nonverbalen Kanälen einträgt?
3. Ließen sich negative Folgen von evtl. von Sachverständigen verantworteten Fehlern bei Begutachtungen in der Psychiatrie vielleicht vermeiden, würde man das Untersuchungsgespräch -auf Probandenwunsch- vollständig audiovisuell dokumentiert haben (2), sodass ein sachverständiger Dritter sich ein Urteil bilden (und Richter vor Fehlurteilen bewahren) könnte anhand auch des aufgezeichneten para- und nonverbalen Materials?
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Grumpelt
1) https://www.aekno.de/downloads/aekno/kommunikation-2017-01.pdf
2) vgl. die unbeantworteten Fragen Ihres Kollegen vom 7.10.17 : https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/rudolf-henke/question/2017-10-07/293802
Sehr geehrter Herr Grumpelt,
die von Ihnen angesprochenen Informationen stammen aus einer Präsentation von Herrn Dr. Bechmann, der auf einem Kammersymposium im September 2017 ein Referat über die ‚Arzt-Patienten-Kommunikation aus linguistischer Sicht‘ gehalten hat und darin neben der verbalen Kommunikation eine Reihe von Faktoren genannt hat, die das Kommunikationsverhältnis zwischen Arzt und Patienten beeinflussen können. Neben den von Ihnen genannten nonverbalen und paraverbalen „Zeichen“ beinhaltet das auch die Erwartungshaltung und die Bedürfnisse eines Patienten, die individuell und sehr unterschiedlich sein können. Auf der anderen Seite spielen Faktoren wie die zur Verfügung stehende Zeit und soziale wie kommunikative Kompetenzen eine entscheidende Rolle.
Innerhalb der Ärzteschaft wird sehr offen über diese Thematik diskutiert und der Rolle der Kommunikation als Aufgabe der Ärztin und des Arztes viel Bedeutung beigemessen. So hat sich etwa der Deutsche Ärztetag zuletzt 2015 sehr intensiv mit dem Thema ‚Kommunikative Kompetenz im ärztlichen Alltag - Verstehen und Verständigen‘ befasst. An vielen Fakultäten wurden mittlerweile geeignete Lehr- und Prüfungsformate für kommunikative Kompetenzen als Bestandteil der ärztlichen Ausbildung etabliert. Kommunikation findet immer zwischen mindestens zwei Personen statt. Kommt es zu Problemen, liegt das sicher nicht per se immer nur an einer Seite. Dennoch ist es möglich, Herangehensweisen und damit ein besseres Feingefühl für die geeignete Kommunikationsform zu erlernen. In der Psychiatrie spielt Kommunikation darüber hinaus eine besondere Rolle für Diagnostik und Therapie. Die Anforderungen dazu sind Teil der Weiterbildung in diesem Fach.
Einer audiovisuellen Dokumentation der Vorbereitung auf psychiatrische Gutachten stehe ich skeptisch gegenüber, da es sich dabei um eine ärztliche Maßnahme handelt und nicht um eine rechtliche. Es handelt sich nicht um eine Vernehmung und bedarf einer konstruktiven und kooperativen Arbeitsatmosphäre. Die persönliche Begegnung und die vielleicht auch stille und subtile Interaktion sind dabei elementar, um Ansatzpunkte zu gewinnen. Eine audiovisuelle Dokumentation würde diesen Anforderungen meines Erachtens nicht gerecht.
Im Juli 2017 habe ich auf eine ähnliche Frage den Rat erteilt, bei Interesse an einer wissenschaftlich-ärztlichen Bewertung der audiovisuellen Dokumentation von Arzt-Patient- bzw. Gutachter-Probanden-Gesprächen direkten Kontakt mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) aufzunehmen. Dieser Rat hat nach wie vor Bestand.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke MdB