Frage an Rudolf Henke von Anton H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Henke,
in der heutigen Sendung "STERNtv" auf RTL wurde ein Bericht gezeigt und im Studio mit Experten und einer Betroffenen (die von Krebs geheilt wurde), dass bei Krebs zusätzlich zur Chemotherapie eine Beigabe von Methadon (in sehr geringer Dosierung) die Wirkung der Chemotherapie äusserst positiv beeinflussen könne.
Diese Erkenntnis ist allerdings offenbar bereits 10 Jahre alt.
Anstelle nun klinische Studien in Auftrag zu geben / zu finanzieren, teilte die bislang dazu forschende Wissenschaftlerin, die Chemikerin Frau Dr. Claudia Friesen, in der Sendung mit, dass nunmehr nicht einmal mehr ihre Grundlagenforschung finanziert werde. Wie ich persönlich finde, ein Missstand.
Wie stehen Sie zu den diesen Erkenntnissen? Und beabsichtigen Sie, sich für die Finanzierung entsprechender klinischer Studien einzusetzen und dafür, dass die diesbezügliche Grundlagenforschung u.a. von Frau Dr. Friesen künftig ausreichend finanziert wird?
Ich kann mir vorstellen, dass die Pharmaindustrie kein gesteigertes Interesse daran haben wird, diesbezüglich klinische Studien zu finanzieren, da für diese eventuell zu befürchten steht, dass die Gewinnspannen bei Krebspräparaten durch eine durch Methadon erheblich erhöhte Wirksamkeit geringer werden könnten. Und das ist für den "Shareholder Value", das Hauptinteresse von börsennotierten Firmen, nicht gerade günstig. Daher steht meines Erachtens zu befürchten, dass Pharmakonzern-Lobbyisten sehr viel aufbieten würden, um Politiker dahingehend zu beeinflussen, sich für die maximalen Gewinnspannen der Pharmafirmen einzusetzen - natürlich freundlicher und publikumswirksamer verpackt. Muss ich mir diesbezüglich Sorgen machen, oder werden sich Gesundheitspolitiker zugunsten von Krebspatienten gegenüber Pharmafirmen durchsetzen, obwohl es nach 10-jähriger diesbezüglicher Untätigkeit nicht danach aussieht?
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Anton Huber
Sehr geehrter Herr Huber,
bei Methadon handelt es sich um ein Opiat, das in Deutschland ausschließlich zur Schmerztherapie und zur Substitutionsbehandlung opiatabhängiger Patientinnen und Patienten zugelassen ist.
Belastbare Erkenntnisse über seine Wirksamkeit in der Tumortherapie sind nicht verfügbar. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) hat im April diesen Jahres eine Stellungnahme veröffentlicht, die zu den folgenden Schlussfolgerungen gelangt: „Die vorgelegten Daten zur Wirksamkeit von Methadon bei Patienten mit Gliomen beruhen auf einer einzigen, unkontrollierten Studie. Diese Daten müssen in kontrollierten Studien überprüft werden, idealerweise in einer randomisierten Studie, alternativ in einer Fall-Kontroll-Studie. Eine kurzfristige Option ist die Durchführung einer Bestfall-Analyse anhand der vorliegenden Dokumentationen. Hierbei kann die DGHO unterstützend tätig werden. Auf der Basis der bisher vorliegenden Daten zur Wirksamkeit und des möglichen Risikos einer erhöhten Sterblichkeit ist eine unkritische Off-Label-Anwendung von Methadon nicht gerechtfertigt.“
Bereits im Januar hat der Arbeitskreis Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft auf ein besonderes Risiko des unkritischen Einsatzes von Methadon in der Tumortherapie hingewiesen: „Generell muss festgehalten werden, dass durch die diskutierte unkritische Darstellung falsche Hoffnungen bei Patienten und Therapeuten geweckt werden können, die mit den vorliegenden wissenschaftlichen Daten nicht belegt werden können. Denkbar ist, dass durch solche Fehlinformationen Patienten eine etablierte und wissenschaftlich belegte Therapie ablehnen, um stattdessen mit Methadon behandelt zu werden.“
Die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung haben sich seit 2005 mehr als verdoppelt und liegen derzeit bei 17,6 Milliarden Euro. Die Union will die Mittel weiter bis auf 3,5 % des Bruttoinlandsproduktes erhöhen und dabei auch die Grundlagenforschung stärken. Trotz dieser bereits bisher positiven Entwicklung und noch erfreulicheren Aussichten werden Sie mich immer an der Seite derer finden, die der Grundlagenforschung wie der anwendungsorientierten Forschung für die Gesundheit weitere zusätzliche Mittel wünschen. Dennoch bitte ich Sie herzlich, den dargestellten Mittelaufwuchs nicht gering zu schätzen. Die Zuweisung bestimmter öffentlicher Mittel zu bestimmten Studien und Untersuchungen muss im Rahmen qualitätsbasierter Vergabeverfahren erfolgen.
Presseberichten der letzten Tage zufolge sieht es inzwischen so aus, als ob die Deutsche Krebshilfe eine klinische Studie finanziere. Dort sei eine Studie beantragt worden, bei der in einer Patienten-gruppe getestet werden soll, wie Methadon und fünf weitere Medikamente bei Patienten mit einem Hirntumor (Glioblastom) wirken. Etwa drei Jahre nach Beginn einer solchen Studie wäre mit Ergebnissen zu rechnen.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass die Forschung der pharmazeutischen Industrie sich auf Produkte konzentriert, die einen wirtschaftlichen Ertrag erwarten lassen. Gerade deshalb macht es Sinn, sich zusätzlich auch für eine verstärkte unabhängige Forschung einzusetzen. Was die Interessen der pharmazeutischen Industrie betrifft, zeigt die Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) in der 17. Legislaturperiode, dass die Gesundheitspolitik meiner Fraktion dem nachgewiesenen Nutzen der Patienten den Vorrang vor den finanziellen Interessen der Pharmaindustrie gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke