Frage an Rudolf Henke von Cersten F.
Guten Tag, Herr Henke.
Vielen Dank für ihr vorbildliches Antworten auf Abgeordnetenwatch.
Können Sie mir begreiflich machen, warum trotz mehrheitlicher Ablehnung der Bevölkerung und der großen Gefahren, die von außergerichtlichen Schiedsverfahren auszugehen scheinen, die Regierung an diesen festhält?
Was sind die grundlegenden Vorteile, die unser Staat oder die Bürger von den Schiedsverfahren zu erwarten haben? Welche Klagen können nicht in einem Rechtsstaat wie dem unseren vor regulären Gerichten geklärt werden und warum sind private Schiedsgerichte notwendig?
mit freundlichen Grüßen
Cersten Frank
Sehr geehrter Herr Frank,
haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihre Frage vom 29. September bezüglich der Rolle von Schiedsverfahren in Freihandelsabkommen wie dem TTIP und CETA.
Seit geraumer Zeit wird sehr kontrovers über die Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada diskutiert. Ich begrüße es sehr, dass auch die Öffentlichkeit intensiv an dieser Diskussion teilnimmt. Dennoch ist es ebenso wichtig, dass diese Diskussion anhand von stichhaltigen Argumenten geführt und nicht durch Polemik beeinflusst wird.
Schiedsverfahren stellen ein auf internationaler und nationaler Ebene etabliertes Verfahren dar, um Streitigkeiten beizulegen. Sie sind Bestandteil vieler bilateraler bzw. multilateraler Handelsabkommen. Gerade bei grenzüberschreitenden rechtlichen Auseinandersetzungen haben sich diese Verfahren oftmals bewährt und stellen eine wichtige Alternative zur staatlichen Rechtsprechung dar. In den zahlreichen Abkommen, an denen Deutschland beteiligt ist, haben Schiedsgerichte auch für deutsche Unternehmen in der Vergangenheit eine bedeutsame Rolle gespielt. Deshalb kann ich die generelle Verurteilung von Schiedsgerichten, wie sie in der öffentlichen Debatte vorherrscht, nicht nachvollziehen.
Die berechtigte Frage, welchen Platz diese Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen mit Regionen einnehmen sollen, in denen Rechtsstaatlichkeit gewährleistet ist, muss mit offenem Ergebnis geklärt werden. Denn die USA bieten als OECD-Staat europäischen Investoren tatsächlich bereits hinreichend Rechtsschutz vor ihren nationalen Gerichten. Genauso steht US-amerikanischen Investoren ausreichender Rechtsschutz in Deutschland zu. Unter diesen Umständen muss nun genau eingeschätzt werden, welche Gründe für einen zusätzlichen Rechtsweg sprechen.
Beim Abkommen CETA sind die Schiedsverfahren Teil des Verhandlungsmandats. Ihre Rolle soll jedoch stark eingegrenzt und genau definiert werden. Die geltenden Regelungen zum Schutz des Allgemeinwohls, die rechtsstaatlich und demokratisch begründet sind, dürfen nicht unterwandert werden. Nur Investitionen, die im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Gaststaats stehen, sind durch Investitionsschutzverträge geschützt. Dementsprechend räumt das Investitionsschutzkapitel in CETA nur solchen Investitionen Schutz ein, die unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Anlagelandes getätigt wurden, in Deutschland also im Einklang mit deutschen Recht und EU-Recht stehen. Außerdem enthält CETA eine Regelung, wonach nicht-diskriminierende staatliche Maßnahmen im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, keine entschädigungspflichtige indirekte Enteignung darstellen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die betreffenden Maßnahmen manifest unverhältnismäßig sind. Dann wären sie aber bereits nach deutschem Verfassungsrecht rechtswidrig, so dass CETA insoweit keine zusätzlichen Ansprüche für Investoren schafft. Ein aktuelles Rechtsgutachten des Max-Planck-Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass der durch CETA gewährte Schutz ausländischer Investoren deutlich hinter dem Investitionsschutz des Grundgesetzes zurück bleibt. Mit anderen Worten: Das deutsche Verfassungsrecht bietet für ausländische Investoren bereits heute einen wesentlich stärkeren Schutz gegen staatliche Maßnahmen als CETA. Der im Grundgesetz verankerte gesetzgeberische Spielraum zum Schutz öffentlicher Interessen (z.B. nationale Sicherheit, Umwelt, Gesundheit etc.) wird durch CETA nicht tangiert.
Die Erhaltung des staatlichen Freiraumes sowie der rechtstaatlichen Prinzipen ist in beiden Freihandelsabkommen unverzichtbar. Schiedsgerichte dürfen keinesfalls die Möglichkeit verschaffen, dass Investoren den geltenden Rechtsraum umgehen. Außerdem dürfen sie niemals in Konkurrenz mit dem Rechtssystem stehen.
Es gilt also eine Lösung zu finden, bei der der Schutz für Investoren in einem Rahmen gewährleistet ist, der die Souveränität der beteiligten Staaten nicht aufhebt. Dafür setze ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten ein.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke MdB