Frage an Rudolf Henke von Werner S. bezüglich Umwelt
In der öffentlichen Diskussion wird immer so getan, als häten wir zuwenig Öl, seltene Erden, Energie, Trinkwasser usw. auf der Erde. Dabei ist es doch umgekehrt: Wir haben zuviele Menschen auf der Erde. Wären wir nur 1 Milliarde statt 7, dann könnten alle in Luxus leben und es gäbe wesentlich weniger Gefahr für Hungersnöte, Dürren, Klimaänderung, Rohstoffknappheit und vor allem Kriege darum.
Dass eine Redzierung der Bevölkerungszahl langfristig möglich ist, zeigt die Entwicklung in unserem Lande, in dem ganz ohne Zwang auf zuviele Kinder verzichtet wird, um den eigenen Wohlstand und die Ausbildung der wenigen Kinder zu fördern.
Gibt es Initiativen im Bundestag, die z.B. über die Entwicklungshilfepolitik versuchen, in anderen Ländern Renten- und Krankenkassen einzurichten, damit Menschen nicht gezwungen sind, viele Kinder zu bekommen, um selbst versorgt zu sein? Wenn ja, welche Initiativen sind es, und wer setzt sich dafür ein? Gibt es Arbeitsgruppen, die darüber nachdenken, wie die Überbevölkerung der Erde langfristig am besten abgebaut werden kann? Warum wird Ihrer Meinung nach diese Frage in der Öffentlichkeit praktisch nicht diskutiert, während genügend Zeit vorhanden ist, z.B. über die Rentenversorgung von morgen zu berichten, die verglichen mit der Überbevölkerung ein geringes Problem ist?
Sehr geehrter Herr Schomburg,
herzlichen Dank für Ihre Frage vom 9. September.
Die Weltbevölkerung wird voraussichtlich bis zum Jahr 2050 von heute sieben Milliarden Menschen auf über neun Milliarden anwachsen. Ein grenzenloses Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern gefährdet Entwicklungsfortschritte, kann begrenzte Ressourcen überfordern und die Infrastruktur dieser Länder überlasten. So besteht u. a. die Gefahr, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten kann. Steigende Mangel- und Unterernährung können die Folge sein. Mit der Bevölkerungszunahme verbundene Emissionen können zu weiterem Klimawandel und Umweltzerstörung führen. Endliche Ressourcen, v. a. mineralische Rohstoffe, werden schneller abgebaut als alternative Ressourcen erschlossen werden können. Gleichzeitig steigt auch der Migrationsdruck. In den Städten kann es zur Entstehung oder Ausbreitung von Slums kommen.
Das Weltbevölkerungswachstum hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die beeinflussbar sind: Dazu gehören Bildung genauso wie Aufklärung, Familienplanung sowie die gesellschaftliche und ökonomische Stärkung von Mädchen und jungen Frauen. Die deutsche Entwicklungspolitik hat sich über Jahre an den 1994 gefassten Beschlüssen der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung von Kairo orientiert und den Partnerländern insbesondere Kenntnisse zur effektiven Familienplanung vermittelt. Ein erfolgreiches Beispiel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf diesem Gebiet ist Bangladesch, wo es u. a. mit deutscher Hilfe gelang, die Fertilitätsrate von 6,85 Kindern pro Frau (1970) auf 2,7 Kinder pro Frau (2009) zu reduzieren. Gleichzeitig konnte die Kinder- und Müttersterblichkeit signifikant gesenkt werden. Dies wurde durch eine massive Aufklärungskampagne, die staatliche Subventionierung von Verhütungsmitteln und die Einbeziehung der Frauen in die Wirtschaft (z. B. durch Mikrokredite) möglich. Die christlich-liberale Koalition hat die Familienplanungsmittel erst jüngst auf jährlich 80 Millionen Euro bis 2015 verdoppelt.
Durch bevölkerungspolitische Maßnahmen allein wird sich das Bevölkerungswachstum jedoch bestenfalls verlangsamen lassen. Dies gilt umso mehr, als dass die hohe Kinderzahl in Entwicklungsländern auch aus wirtschaftlichen Erwägungen (v. a. Alterssicherung) bewusst angestrebt wird. Viel grundsätzlicher stellt sich die Frage, wie das (Über)leben von neun Milliarden Menschen sichergestellt und das Potenzial der größten je vorhandenen Jugendgeneration mobilisiert werden kann. Die Lösung dieser Herausforderung muss zunächst aus humanitären Gesichtspunkten interessieren. Gleichzeitig darf jedoch nicht verkannt werden, dass ein unkontrolliertes Wachstum der Weltbevölkerung auch sicherheits-, wirtschafts-, umwelt- und migrationspolitische Konsequenzen mit sich bringt, welche Rückwirkungen auf die Stabilität und den Wohlstand der Industrieländer haben. Insofern ist eine Entwicklungspolitik, welche auf die oben beschriebenen Problemlagen ausgerichtet ist, nicht zuletzt auch in unserem wohlverstandenen Eigeninteresse.
Geburtenraten, Ernährungssicherung, Zugang zu Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen, soziale Sicherung und wirtschaftliche Entwicklung sind thematisch eng miteinander verflochten und müssen deshalb in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit betrachtet werden.
Ziel einer entwicklungsorientierten Alterssicherung in Entwicklungsländern muss es sein, dass die Kinderzahl einer Familie nicht über die Einkommens- bzw. Alterssicherung der Eltern entscheidet. Dies gilt umso mehr, als dass sich die Zahl der über 60-Jährigen in den Entwicklungsländern bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich vervierfachen wird. Die soziale Absicherung dieser Bevölkerungsgruppen kann zukünftig nicht mehr in ausreichendem Maße über informelle Sicherungssysteme wie Familien oder Dorfgemeinschaften gewährleistet werden. Auch die prekäre Arbeitsmarktsituation in vielen Entwicklungsländern und die damit verbundene Einkommensunsicherheit machen die Bereitstellung von sozialen Sicherungssystemen dringend erforderlich.
Mehr denn je muss es deshalb auch Aufgabe von Entwicklungspolitik sein, die Folgen des Weltbevölkerungsanstiegs abzufedern bzw. Veränderungsprozesse zu unterstützen, die eine Verlangsamung des Bevölkerungswachstums bewirken. Entwicklungsländer brauchen deshalb verstärkt Hilfe beim Aufbau von staatlichen Alters- und Sozialversicherungssicherungssystemen, welche an die Bedingungen in vor Ort angepasst sind.
Am 10. Dezember 2012 wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion übrigens einen Fraktionskongress durchführen, der sich mit den Auswirkungen der wachsenden Weltbevölkerung auf Klima, Umwelt und Biodiversität beschäftigen wird und zu dem ich Sie herzlich einlade. Gäste sind u. a. Bundesumweltminister Peter Altmaier und Prof. Klaus Töpfer.
Wenn Ihnen eine Teilnahme in Berlin nicht möglich ist, können Sie den Kongress unter http://www.veranstaltungen.cducsu.de live im Internet verfolgen.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke