Frage an Rudolf Henke von Simon S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Henke,
wie stehen Sie zur Änderungen des Rederechts im deutschen Bundestag? Ich persönlich habe die Besorgnis, dass durch diese Änderung die Position des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten geschwächt wird. Eine Demokratie lebt von der Diskussion und der Debatte und Gegenmeinungen oder Minderheitenmmeinungen müssen die Möglichkeit haben gehört zu werden. Es ist in keiner Weise schädlich, wenn diese Meinungen auch aus den eigenen Reihen und nicht aus den Reihen der Opposition kommen. Ich befürchte, dass die Änderung des Rederechts zur Unterdrückung von Meinungen durch die Fraktionen führen wird.
Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit noch auf die - natürlich nicht repäsentative, aber recht deutliche - Umfrage der Tagesschau hinweisen: Beim jetzigen Stand glauben 97,7 % (24658 Personen), dass die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht.
http://umfrage.tagesschau.de/umfrage/poll_dbdata.php?oid=rederecht102
Mit freundlichen Grüßen
Simon Siemering
Sehr geehrter Herr Siemering,
herzlichen Dank für Ihre Frage vom 15.04.2012 zum Thema „Rederecht im Deutschen Bundestag“.
Die gegenwärtig gültige Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages enthält in § 31 Abs. 1 die Bestimmung, wonach jedes Mitglied des Bundestages nach Schluss der Aussprache zur abschließenden Abstimmung eine mündliche Erklärung abgeben kann, die nicht länger als fünf Minuten dauern darf, oder eine kurze schriftliche Erklärung, die in das Plenarprotokoll aufzunehmen ist. Der Präsident erteilt das Wort zu einer Erklärung in der Regel vor der Abstimmung. Für Reden während der Aussprache bestimmt der Präsident die Reihenfolge der Redner. Dabei soll ihnen die Sorge für sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung, die Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen, aus Rede und Gegenrede und auf die Stärke der Fraktionen leiten; insbesondere sollen nach der Rede eines Mitgliedes oder Beauftragten der Bundesregierung eine abweichende Meinung zu Wort kommen. Der Bundestag kann auf Antrag einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages eine Aussprache auch dann schließen, wenn die Rednerliste noch nicht erschöpft ist. Ein solcher Antrag auf Schluss der Aussprache darf allerdings erst zur Abstimmung gestellt werden, wenn jede Fraktion mindestens ein mal zu Wort gekommen ist.
Vor diesem Hintergrund halte ich Überlegungen für zweckmäßig, ob der Anspruch von Abgeordneten, im Rahmen von Aussprachen des Parlaments zu Wort zu kommen gestärkt werden kann und ggf. wie. Natürlich kann es nicht sein, dass das Rederecht von Abgeordneten, die ihrer Fraktion widersprechen, mehr Gewicht bekommt, als das Rederecht von Abgeordneten, die in Übereinstimmung mit ihrer Fraktion argumentieren.
Nach der öffentlichen Debatte über das Rederecht im Deutschen Bundestag gehe ich davon aus, dass für diese Legislaturperiode die bestehende Geschäftsordnung und ihre Anwendung in der parlamentarischen Praxis nicht mehr verändert werden. Wie Sie, bin ich der Meinung, dass eine Demokratie von der Diskussion und der Debatte lebt und Gegenmeinungen oder Minderheitenmeinungen die Möglichkeit haben müssen gehört zu werden. Allerdings würde dies auch bedeuten, dass Oppositionsabgeordnete die Möglichkeit haben müssten, gegen den Willen ihrer Fraktion die persönliche Unterstützung für Vorhaben der jeweiligen Regierungskoalition zu signalisieren. Meines Erachtens darf nicht in Kauf genommen werden, dass eine Abweichung von der Meinung der Regierungsfraktionen mit größerer Aussicht auf Wahrnehmung platziert werden kann als eine Abweichung von der Meinung der Oppositionsfraktionen.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke MdB