Frage an Rudolf Henke von Klaus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Griechenlandkrise
es ist zu lesen: Die hohen Zinsen für griechische Staatsanleihen kommen durch ein Doppelpassspiel von US-Ratingagenturen und Banken zustande. Doch die EU stellt lieber Trivialdiagnosen.
Einerseits kann man unter wikipedia ein durchaus vernünftiges und auch einschneidendes Sparprogramm der Griechen nachlesen, dass natürlich auch greifen muss und Überschriften wie "die Griechen sind Weltmeister im Sparen", andererseits werden die Griechen innerhalb kürzester Zeit schlechter bewertet und benötigen innerhalb von 6 Monaten mindestens 3 Kreditpakete. Wenn gebürgt wird, müßten die Beurteilungen besser und nicht schlechter werden. Womit sind Zinsen bis zu 17% zu rechtfertigen? Wie kann die Politik dort sinnvoll eingreifen statt nur Spielball dieser merkwürdigen Finanzgebarens zu sein? Wie will ein durchschnittlicher Abgeordneter egal welcher Couleur diese Dinge richtig beurteilen?
Mit freundlichen Grüssen
Klaus Schleicher
Sehr geehrter Herr Schleicher,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage vom 15. Juni 2011.
Beim Thema der griechischen Staatsanleihen ist es wie bei vielen anderen speziellen Themen auch, mit denen sich der Deutsche Bundestag zu befassen hat. Der Teil der Abgeordneten, die das jeweilige Thema aufgrund des eigenen Bildungsgangs, der eigenen Ausbildung, der eigenen Berufserfahrungen oder der wissenschaftlichen Auseinandersetzung profund als Experten beurteilen können ist sicher kleiner als die Zahl derer, die sich bei den jeweiligen Sachverhalten auf sekundär gewonnene Informationen stützen müssen. Übrigens ist dies nicht nur im Deutschen Bundestag so, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern, die den Deutschen Bundestag wählen. Insofern hat ein – wie Sie schreiben – „durchschnittlicher Abgeordneter egal welcher Couleur“ zur richtigen Beurteilung dieser Dinge keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung als die, die jedermann in seinem Beruf dann anwenden muss, wenn Grenzen der eigenen Kompetenz erreicht werden. Die in der Gesellschaft vorhandene Arbeitsteilung muss auch im Parlament genutzt werden, und die Abgeordneten sind sowohl auf den Rat der Regierungsmitglieder wie der Regierung als Ganzes aber auch auf die vielfältigen externen Stellungnahmen, die uns nahezu täglich erreichen, angewiesen, um letztlich durch Beratungen innerhalb der Fraktionen zu einem aus der jeweiligen Warte vertretbaren Urteil zu gelangen. Übrigens ist es so, dass die zahlreichen Ratgeber und Meinungen sich nun teilweise auch untereinander widersprechen. Das dies bei einem Thema der Fall ist, das wie der Umgang mit griechischen Staatsanleihen eine Art Neuland darstellt ist ebenso natürlich wie die Tatsache, dass in anderen, gewohnteren Themen stärker auf bereits bewährte Urteile zurückgegriffen werden kann.
Ihre und andere Kritik an den Bewertungen der Rating-Agenturen, kann ich gut nachvollziehen. Deshalb unterstütze ich die Auffassung von Bundeskanzlerin Merkel, dass es wichtig ist, uns die eigene Urteilsfähigkeit nicht nehmen zu lassen und zumindest zusätzlich zu den Bewertungen der Rating-Agenturen auch die von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds in den Blick zu nehmen. Dabei spielt auch eine Rolle, den Weg, auf dem EU-Kommission, Zentralbank Währungsfonds zu ihrem Urteil gelangen, möglichst transparent werden zu lassen, damit niemand sagen kann, die Bewertungen der Rating-Agenturen seien regelgebunden, die der EU-Kommission, der Zentralbank oder des Währungsfonds wären es hingegen nicht.
Dass Griechenland Zeit braucht, die wir dem Land gewähren sollten, ist meines Erachtens eindeutig, zur Solidarität gehören allerdings auch die harten Auflagen, denen sich Griechenland stellen muss. Zur Solidarität rechne ich einen Zahlungsaufschub durch den Umtausch von Staatsanleihen, deren Laufzeiten demnächst enden, in neue Papiere, mit denen das Land mehr Zeit für seine notwendigen Reformen bekäme. Zu den harten Auflagen zählen die Privatisierung öffentlichen Eigentums, der Umbau der Verwaltung und die Neuordnung der Wirtschaft mit einer permanenten Begleitung durch die „Troika“. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, die von den extrem hohen Verschuldungen Griechenlands ausgehenden Gefahren für unsere Währung abzuwenden.
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Henke