Frage an Rose-Felicitas Pauly von Christa H. bezüglich Wirtschaft
wie stehen Sie zur Zwangsmitgliedschaft in der Handelskammer?
Sehr geehrte Frau Hörnke,
vielen Dank für Ihre kurze, klare Frage, auf die ich Ihnen gern eine etwas ausführlichere Antwort geben möchte.
Das auf dem Prinzip der Pflichtmitgliedschaft beruhende deutsche Kammerwesen steht seit Jahren in der Diskussion. Dieses Kammerprivileg, das Ausfluss der zum Teil hoheitlichen Aufgaben der Handelskammern ist (z.B. Organisation der Berufsausbildung und des zugehörigen Prüfungswesens mit jährlich 600.000 Zwischen- und Abschlussprüfungen) bedarf immer wieder der Rechtfertigung gegenüber Politik und Unternehmerschaft.
Zum Thema Pflichtmitgliedschaft, das auch in der FDP seit Jahren mit unterschiedlicher Zielrichtung diskutiert wird, hat sich die Partei noch keine abschießende Meinung gebildet, will dieses aber auf Basis der Arbeit einer Expertenkommission auf dem Parteitag 2006 tun.
Ich persönlich halte die Pflichtmitgliedschaft für richtig und wichtig, denn Industrie- und Handelskammern und ihre Dachorganisation dihk sind die einzigen, auf deren Wort auch die Politik hört, weil sie branchenübergreifend und nicht von Einzelinteressen geleitet zu wirtschaftspolitischen Fragen sachkundig Stellung beziehen. Jüngste Beispiele: die in Hamburg geplante Hafenumstrukturierung zu Lasten von 100 mittelständischen Firmen oder auf Bundesebene das Antidiskriminierungsgesetz. In beiden Fällen war die Kammerorganisation wachsam und verhütete großen Schaden für die Wirtschaft.
Müsste sich die Kammerorganisation allein auf Freiwilligkeit stützen, würde sie in ihrer politischen Wirkungsmöglichkeit entscheidend und damit zum Schaden der Wirtschaft geschwächt. Gerade in Hamburg mit der niedrigen Wahlbeteiligung trotz der unbestritten hervorragenden Arbeit der Handelskammer kann man das sehr genau beobachten.
Würden die Pflichtbeiträge entfallen, müssten die hoheitlichen Aufgaben vom Staat erledigt werden, was zu immensen Kostensteigerungen führen würde. Allein das bisher vorwiegend ehrenamtliche Prüfungswesen würde mit 1 Mrd. Euro zu Buche schlagen. Aus diesem Grund und um die Kompetenz der Handelskammern in Wirtschaftsfragen zu erhalten bedarf es einer ausreichenden Finanzausstattung, weshalb die Pflichtmitgliedschaft meines Erachtens unbedingt erhalten werden muss.
Es erstaunt mich immer wieder, dass nur die Handelskammern in der Diskussion sind, nicht aber Rechtsanwalts- Landwirtschafts- und andere Kammern. Vielleicht, weil gerade die Handelskammern der Politik vielfach unbequem sind? Genau aus diesem Grund werden sie gebraucht.
Übrigens hat das Bundesverfassungsgericht vor dreieinhalb Jahren festgestellt: „Zugleich hat die Pflichtmitgliedschaft eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und stattdessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt." (BVerfG 1 BvR 1806/98 vom 7.12.2001; Absatz-Nr. 50)
Viele Grüße
Ihre Rose Pauly