Frage an Rose-Felicitas Pauly von Heinrich J. D. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Pauly,
während meiner Berufstätigkeit habe ich mich immer wieder über die arrogante Haltung der Berufsgenossenschaft geärgert.
Warum ist es nicht möglich - wie auch schon seit langem vom Bund der Steuerzahler gefordert - diese Form der Versicherung dem freien Wettbewerb zu überlassen? Es würde mit Sicherheit billiger und damit zu einer Senkung der Lohnnebenkosten führen.
Desweiteren würde ich gern wissen, warum kein Wahlprogramm deutliche Aussagen über die Rückführung der Staatsausgaben macht, stattdessen hört man immer nur etwas über Gegenfinanzierung. Jeder Bürger, der sich derartig verschulden würde wie der Staat, würde an die öffentliche Schuldenberatung verwiesen. Wer so handelt wie unsere derzeitige Regierung, ist in meinen Augen nicht geschäftsfähig.
Mit freundlichen Grüßen
Heinrich J. Drespe
Sehr geehrter Herr Drespe,
es ist verständlich, dass Sie sich über arrogante Haltung – so es sie seitens der Berufsgenossenschaften gegeben hat – ärgern. Überheblichkeit ist weder in diesem noch in anderen Bereichen hinnehmbar.
Die Berufsgenossenschaften betätigen sich ausschließlich auf der Grundlage des Sozialgesetzbuchs VII. und nur der Bundesgesetzgeber könnte Änderungen herbeiführen. Sie haben in der Tat Monopolcharakter, das ist vom Gesetzgeber so gewollt.
Dieses Monopol steht seit einer Reihe von Jahren auf dem Prüfstand. Mit zunehmender Konjunkturschwäche wächst die Kritik daran im Unternehmerlager. Es haben immer wieder Klagen vor den Sozialgerichten stattgefunden, bis in die letzte Instanz vor dem Bundessozialgericht und auch dem Europäischen Gerichtshof (EUGH). Dieser hat letztlich das Monopol der Berufsgenossenschaften bestätigt. Trotzdem gibt es seit etwa einem Jahr eine neue Initiative, mit Hilfe von Sammelklagen bei allen zuständigen Sozialgerichten in der Bundesrepublik Klagen zu erheben, in der Hoffnung einen erneuten Anlauf durch alle Instanzen zu bekommen.
Anfragen jüngeren Datums an große deutsche Versicherungsgesellschaften ergaben, dass diese für eine Privatisierung aus Kostengründen nicht zur Verfügung stehen. Das System ist zu teuer, weil die Berufsgenossenschaften aufgrund des gesetzlichen Auftrags auch eine intensive Prävention betreiben müssen. Das Vorhalten dieser Prävention und die Beratung der Unternehmen durch den berufsgenossenschaftlichen Aufsichtsdienst verschlingen allein bis zu 25% des Haushalts. Möglicherweise würde eine Privatisierung des Unfallrisikos keineswegs zu geringeren Gebühren für die Unternehmen führen.
Es müssen nämlich auch die so genannten Altlasten in den Privatisierungsprozess einbezogen werden, das sind vor allem die Rentenzahlungen an verunfallte Versicherte und bei Unfalltod an deren Familienangehörige. Da die Berufsgenossenschaften kraft Gesetz Renten lebenslang zahlen müssen und eben nicht nur bis zur Erreichung der Altersgrenze liegen die Altlasten im zweistelligen Milliardenbereich.
Was man aber durch den Gesetzgeber ändern könnte, wären deutliche Beschneidungen des vorgeschriebenen Leistungskatalogs. Also beispielsweise Herausnahme der Wegeunfälle (dies ist privates Risiko und hat mit Betriebszugehörigkeit in den wenigsten Fällen zu tun), Begrenzung der Rentenzahlungen, also Anpassung an das bestehende Sozialrecht, Revision der Entschädigungshöhen (sie sind immer deutlich höher als das, was die Krankenkassen zahlen), Auch die Herausnahme der Einzugsverpflichtung des Insolvenzgeldes für die Bundesagentur für Arbeit, denn diese gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeit der Berufsgenossenschaften hat aber auch gar nichts mit einer Unfallversicherung zu tun.
Das alles wäre politisch zu verändern, aber die Gewerkschaften als Vertreter der Versicherten in den paritätisch besetzten Gremien der Berufsgenossenschaften sind nicht zur kleinsten Konzession bereit. Sie sehen, hier gibt es Reformbedarf, ebenso wie im gesamten Sozialbereich und wer das anpackt, wird auf großen Widerstand stoßen. Davor hat sich die FDP jedoch noch nie gefürchtet.
Konkrete Vorstellungen hat meine Partei dazu noch nicht entwickelt. Wir stehen aber privatwirtschaftlichen Lösungen in Versicherungsfragen jederzeit offen gegenüber.
Zum Thema Aufgabenkritik des Staates muss ich Ihnen sagen, dass wir uns in genau diesem Punkt erheblich von den anderen Parteien unterscheiden und bereits mehrmals im Deutschen Bundestag in Anträgen konkretisiert haben, wie und wo Einsparungen möglich sind. Deshalb soll unser Steuerkonzept den Bürgern eine echte Entlastung von 19 Mrd. Euro bringen. Auch die von der CDU vorgesehene Mehrwertsteuererhöhung lehnen wir ab, denn sie ist bei sparsamer Haushaltsführung und durch Abbau von Subventionen in nicht haltbare Wirtschaftszweige (Steinkohle) überflüssig, ja sogar schädlich, denn sie weckt neue Begehrlichkeiten. Die Lohnnebenkosten können gesenkt werden, indem man die Bundesanstalt für Arbeit ebenso wie die Berufsgenossenschaften von versicherungsfremden Aufgaben entbindet. Beispielsweise wollen wir die Arbeitsvermittlung komplett in private Hände überführen, den bereits heute zeigen private Arbeitsvermittler, dass sie günstiger mehr Menschen in Arbeit bringen als die Mitarbeiter der BA.
Mit freundlichen Grüßen
Rose Pauly