Frage an Ronja Kemmer von Uwe B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Hallo Frau Kämmer,
Frau Klöckner die gelobte für die Bienen da zu sein, siehe auch diverse Veranstaltungen, wo sie sagte, es werden keine Gifte mehr mit Nenoniks mehr in Deutschland zugelassen.
Jetzt hat Sie wieder 18 Gifte per Notfallverordnung zugelassen. Für mich als Imker ist das Vorgehen unerhört. Der Normale Bürger wird mal wieder entschuldigen Sie den Ausdruck "VERARSCHT" auf Kosten den Pestizid - Hersteller.
Wie sehen Sie das ?
Gruß Uwe Bitzenbauer
Sehr geehrter Herr Bitzenbauer,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht. In Deutschland gibt es ca. 870.000 Bienenvölker. Rund 130.000 Imker engagieren sich tagtäglich für unsere Natur, dafür möchte ich mich auch bei Ihnen herzlich bedanken! Die Leistung der Bienen ist für die biologische Vielfalt und unsere Landwirtschaft nicht zu überschätzen. Rund 80 Prozent der Nutz- und Wildpflanzen sind auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Ohne Bestäubungsleistung der Bienen wäre die Lebensmittelherstellung nicht vorstellbar. Bienen sind zentral für unsere Lebensgrundlagen. Ihr Schutz ist eine zentrale Zukunftsaufgabe.
Daher bin ich sehr froh, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) klare Zeichen für den Schutz von Bienen und anderen Insekten setzt. Mit der Gründung eines eigenen Bienen-Instituts des Bundes am Julius Kühn-Institut (JKI) hat das BMEL die intensive Forschung und wissenschaftliche Bewertung weiter vorangetrieben, um den Schutz der Bienen zu stärken. Das BMEL hat darüber hinaus im Jahr 2017 unter anderem gemeinsam mit dem Verband der deutschen Garten-Center, dem Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten und dem Industrieverband Garten eine neue Runde der Initiative "Bienen füttern!" gestartet.
2018 hat das BMEL auf ein europaweites Verbot von drei Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Neonikotinoide, die ein Risiko für Bienen darstellen, hingewirkt. Seit dem 19. Dezember 2018 dürfen Neonikotinoide mit den Wirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam nicht mehr für die Anwendung im Freiland verkauft und dort auch nicht mehr angewendet werden.
Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist ein zweistufiges Verfahren. Die Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel werden von der EU-Kommission genehmigt. Pflanzenschutzmittel mit genehmigten Wirkstoffen werden national zugelassen. Zulassungsstelle in Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), nicht das BMEL. Wenn eine Gefahr für die Gesundheit und den Schutz von Kulturpflanzen nicht anders abzuwenden ist, kann das BVL das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für maximal 120 Tage zulassen - die sogenannte Notfallzulassung. Die Verwendungsmöglichkeiten sind dabei eingeschränkt und werden kontrolliert. Notfallzulassungen dürfen nur dann erteilt werden, wenn das aktuelle Aufkommen bestimmter Schadorganismen mit den zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmitteln oder alternativen Verfahren nicht mehr bekämpft werden kann.
Am 14. Dezember 2020 wurde in der Tat dem Pflanzenschutzdienst Nordrhein-Westfalen eine Notfallzulassung zur begrenzten Saatgutbehandlung und Aussaat von Zuckerrübensaatgut mit dem Wirkstoff Thiamethoxam vom 1. Januar 2021 bis 30. April 2021 erteilt. Die Saatgutbehandlung schützt die jungen Pflanzen von Zuckerrüben gegen Blattläuse, die mit ihrer Saugtätigkeit verschiedene Vergilbungsviren übertragen und mit anderen Pflanzenschutzverfahren oder zugelassenen Pflanzenschutzmitteln nicht hinreichend wirksam bekämpft werden können. Sie ist nur im geschlossenen System in zertifizierten Beizanlagen zulässig. Für das Jahr 2021 gibt es insgesamt zehn Notfallzulassungen. Eine Übersicht und Anwendungsbestimmungen sind hier einzusehen: https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/02_Notfallzulassungen/psm_ZugelPSM_notfallzulassungen_node.html#doc11031262bodyText4
Sehr geehrter Herr Bitzenbauer, ich kann Ihren Frust, gerade weil sie sich selbst persönlich so für den Artenschutz engagieren, nachvollziehen. Notfallzulassungen können nur das letzte Mittel der Wahl sein, sind aber manchmal unumgänglich. Es muss genau geprüft und abgewogen werden. Ein unverhältnismäßig breiter Einsatz von Notfallzulassungen ist in jedem Fall abzulehnen, was aber meiner Ansicht nach in Deutschland nicht der Fall ist. Vielmehr muss weiter an einer langfristigen Ackerbaustrategie gearbeitet werden und Entwicklung und Zulassungsverfahren alternativer Wirkstoffe und Behandlungsmethoden forciert werden.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und in diesen Zeiten vor allem Gesundheit.
Mit den besten Grüßen
Ronja Kemmer