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Rolf Schwanitz
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Frage von Michael K. •

Frage an Rolf Schwanitz von Michael K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Schwanitz,

wie kann es sein, das die Pendlerpauschale gekürzt wird, wo doch der normale Bürger ständig tiefer in die Tasche greifen muss? Subventionsabbau ist sinnvoll, aber es wird Mobilität verlangt und diese muss auch bezahlbar sein.
Bei Diätenerhöhungsvorschlägen sind sich ausnahmsweise alle Abgeordneten einig, das Gesetz mit der Anhebung bei den Bundesrichtern haben die Parteien ja sehr clever verabschiedet. Nur durch den Druck der Öffentlichkeit sind viele Abgeordnete der großen Koalition davon abgerückt.

Warum wird die Riesterrente bei Hartz 4 anders gesehen als meine private Rentenversicherung, die ich seit 11 Jahren habe? Sollte ich arbeitslos werden und keine neue Stelle finden, wird sie mir angerechnet und im Alter endet man im Armenhaus. Schöne Gerechtigkeit. Im Mittelstand hat man derzeit monatlich weniger Geld in der Tasche. Aber unsere Abgeordnete scheint das bei den Bezügen nicht zu interessieren und wahrscheinlich bezahlen die Bürger auch noch das KfZ + Benzin oder Diesel.
Es wird am Mittelstand vorbei regiert, wie wenn es die Damen und Herren Politiker nicht mehr interessiert. Kein wunder, dass immer mehr Bürger sich nicht mehr mit Politik beschäftigt und rechts oder links wählt. Politik sollte transparenter und verständlicher sein, dann fallen diese Wähler nicht auf die dummen Wahlparolen der radikalen Parteien rein.

Glauben Sie noch an eine große Koalition und Reformen? Ich denke, hier wird bis zur Bundestagswahl nichts mehr passieren. Und die Reformbereitschaft läßt auch zu wünschen übrig. Danke übrigens für die Abgeltungssteuer, werden die vermögenden wieder schön entlastet. Und zum Nichtraucherverbot: Entweder ja oder nein, ständige Ausnahmen schaden nur. Eine Frage noch: Warum muß ein Hartz 4 Antragsteller sein privates gespartes Vermögen aufbrauchen? Ein anderer, der nicht gespart hat, bekommt sofort Hilfe. Finden Sie das Gerecht? Bezieht sich auch auf die Tatsache meiner Rentenversicherung.
Vielen Dank

Michael Kögler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kögler,

Sie haben in Ihrem Beitrag auf abgeordnetenwatch.de sehr viele verschiedene Punkte angesprochen. Ich bitte um Verständnis, dass meine Antwort deshalb etwas umfangreicher ausgefallen ist.

Der Gesetzgeber hat bereits im Jahr 2006 die Entscheidung getroffen, die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab 2007 steuerlich nicht mehr als Werbungskosten anzuerkennen. Ebenso wie in den meisten anderen europäischen Staaten, gilt seitdem das so genannte "Werkstorprinzip". Kosten werden aber trotzdem ab einer Entfernung von 20 Kilometern bis zum Arbeitsplatz steuerlich anerkannt. Diese Härtefallregelung soll Menschen mit einem sehr weiten Weg zur Arbeit unterstützen. Die derzeit hohen Kraftstoffpreise sind vor allem für Geringverdiener eine große finanzielle Last. Diesen würde eine Rückkehr zur alten Regelung bei der Pendlerpauschale aber wenig nützen. Denn die Steuerprogression bei der Lohn- und Einkommensteuer sorgt dafür, dass Gut- und Besserverdienende über die Steuer eine hohe Pendlerpauschale erhalten, während Arbeitnehmer, die wenig verdienen, wenig oder gar nichts über die Pauschale bekommen. Deshalb würde ich eine Neuregelung bevorzugen, die insbesondere Geringverdienern zugute kommt. Nach meiner Auffassung sollte aber zunächst die angekündigte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Pendlerpauschale abgewartet werden. Erst dann kann auf verfassungsrechtlich gesicherter Grundlage eine Lösung gefunden werden, die natürlich die Haushaltslage des Bundes berücksichtigen muss und dem von Ihnen angemahnten Abbau von Subventionen Rechnung trägt.

Ihre Behauptung, dass sich bei Diätenerhöhungsvorschlägen ausnahmsweise alle Abgeordneten einig seien, ist falsch. Sie können bei Abgeordnetenwatch sehr leicht recherchieren, das am 16.11.2007 bei der Schlussabstimmung über die letzte Diätenerhöhung 377 Abgeordnete mit Ja und 165 mit Nein gestimmt haben. Außerdem haben sich 14 Abgeordnete der Stimme enthalten und 57 haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt. Transparenter und verständlicher geht es eigentlich nicht. Bereits bei der Einführung des Abgeordnetengesetzes im Jahr 1977 wurde die Vergütung kommunaler Wahlbeamter (Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte) bei der Höhe der Abgeordnetenentschädigung zugrunde gelegt. Ich halte einen solchen Vergleichsmaßstab für angemessen. Anders als die kommunalen Wahlbeamten haben sich die Bundestagsabgeordneten jedoch seit 1977 mehrfach gegen eine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung ausgesprochen. Deshalb hat die Höhe der Abgeordnetenentschädigung in der Vergangenheit nie die Höhe der Bezüge dieser kommunalen Wahlbeamten erreicht. "Clever" - also berechnend im Sinne hoher Einkommen - war das, anders als von Ihnen unterstellt, sicher nicht. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass sich zahlreiche Abgeordnete meiner Fraktion gegen eine weitere Diätenerhöhung ausgesprochen haben, bevor das Vorhaben überhaupt in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass nur durch den Druck der Öffentlichkeit davon abgerückt wurde.

Beim Arbeitslosengeld II handelt sich um eine aus Steuern finanzierte Leistung, welche Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst finanzieren können, vor existentieller Not bewahren soll. Bevor die Solidargemeinschaft der Steuerzahler einspringt, wird deshalb geprüft, ob der Lebensunterhalt (auch teilweise) aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestritten werden kann. Dabei müssen auch die (Ehe-) Partner füreinander einstehen. Es gibt jedoch Freibeträge, bis zu deren Grenze das eigene Vermögen nicht verwertet werden muss. Neben einem Freibetrag für "notwendige Anschaffungen" von 750 Euro wird dabei ein altersabhängiger Freibetrag zwischen 3.100 und 9.750 Euro angesetzt. Daneben bleibt Vermögen, das der Altersvorsorge dient (beispielsweise eine private Rentenversicherung), je nach Alter bis zu einer Höhe von 16.250 Euro (für Personen, die vor dem 1.1.1948 geboren sind bis zu 33.800 Euro) anrechnungsfrei. Besonders privilegiert ist die Riesterrente, die komplett anrechnungsfrei bleibt. Der Grund dafür liegt darin, dass die Riesterrente künftige Absenkungen beim Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichen soll. Deshalb sollte sie auch so behandelt werden wie die gesetzliche Rente. Eine private Rentenversicherung hat dagegen den Zweck, eine Altersversorgung zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährleisten. Natürlich kann man darüber streiten, ob die Höhe der Freibeträge angemessen und gerecht ist. Die Meinung hängt in diesem Fall sicherlich vom Standpunkt des Betrachters ab. Jemand, der Vermögen über den Freibeträgen besitzt, möchte dies verständlicherweise behalten und nicht für seinen Lebensunterhalt verwenden. Andererseits ist es der Solidargemeinschaft der Steuerzahler kaum vermittelbar, den Lebensunterhalt für Menschen zu bezahlen, die dies auch aus eigener Kraft könnten. Grundsätzlich halte ich das Prinzip der Anrechnung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II jedenfalls für solidarisch und gerecht.

Sie gehen davon aus, dass Steuerpflichtige mit hohen Einkünften durch die Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich entlastet werden. Dies ist aber nicht der Fall. Denn zukünftig werden anders als bisher auch Kursgewinne einer Besteuerung unterliegen. Und Steuerpflichtige mit Dividendeneinkünften werden durch den Wegfall des Halbeinkünfteverfahrens belastet. Eine steuerliche Entlastung durch die Abgeltungsteuer wird nur bei bestimmten Konstellationen eintreten, zum Beispiel bei Anlegern, die hohe Zinseinnahmen haben und nur geringe Einkünfte aus Dividenden oder Kursgewinnen. Deshalb lassen sich keine generellen Aussagen zur Be- oder Entlastung von Personengruppen mit hohen oder niedrigen Einkünften treffen.

Ich bin überzeugt davon, dass die "Große Koalition" bis zum Ende der Legislaturperiode noch viele wichtige Gesetzesvorhaben abschließen wird. Das Ausmaß der Reformbereitschaft einer Regierung hängt nach meiner Ansicht auch mit den Wahlergebnissen zusammen. Insofern machen Sie es sich mit Ihrer Klage über mangelnde Reformbereitschaft zu einfach. Mindestens besteht hier eine Wechselwirkung: Mangelnde Reformbereitschaft stärkt den Ärger über unzureichende Entscheidungen der Politik, Wahlerfolge populistischer Parteien lassen die Bereitschaft zu weitreichender Reformpolitik zusätzlich sinken.

Abschließend noch ein Hinweis zu Transparenz und Verständlichkeit von Politik: Fragen des Gaststättenrechts - und damit auch des Nichtraucherschutzes in Gaststätten - sind Angelegenheiten der Länder.

Mit freundlichen Grüßen

Rolf Schwanitz